Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Die Schönheit vom Lande
Doris Mielisch über ein Sinnbild des Sommers
Sie sind von schlanker Gestalt, aber kräftigem Wuchs. Sie sind nicht unbedingt bescheiden bei einer Länge bis an die drei Meter, sondern führen eher ein herausragendes Dasein in jedem Blumenbeet. Und wenn sie dir zunicken aus luftiger Höhe mit ihren üppigen Blüten in allen Sommerfarben (dabei können sie es auch in schneeweiß und fast schwarz), bist du schon versucht, dem Volksmund zu glauben: Du hast es hier mit der Königin des Bauerngartens zu tun.
Wobei Alcea rosea nun alles andere als majestätisch klingt: Gewöhnliche Stockrose. Und vielleicht ist ja an der Sortenbeschreibung auch was dran. Denn so richtig schwer fällt ihr dank Selbstaussaat die Vermehrung nicht.
Wir jedenfalls haben zehn in diesem Jahr. In Büschen, versteht sich. Die schönste Blüte entfaltet Ihre Majestät unten beim „Goethe“– weiß-pink. Vielleicht als Hommage an den Dichterfürsten, der, so ist zu lesen, extra Teestunden zur ersten Stockrosenblüte abhielt.
Die höchste ihrer Art in Pfirsichgelb steht ausgerechnet inmitten, respektive über den Edelrosen. Und man mag nicht entscheiden, ob es Triumph ist oder Beschützerinstinkt der „gewöhnlichen“Schwester gegenüber „Nostalgie“oder „Red Leonardo da Vinci“.
Botanisch gesehen komme ich allerdings mit der Spezies nicht ganz klar. Denn das Gewächs trotzt in unserem Garten der eigentlich vorausgesagten Zweijährigkeit. Soll heißen, es wachsen immer wieder schöne Töchter aus der Familie der Malvengewächse heran. Und von einjährigen Exemplaren mit lediglich ausgebildeten Blattrosetten fehlt zumindest in unserem Bauerngarten jede Spur.
Doch im Grunde ist dieser nicht zu deutende Sachverhalt bedeutungslos. Denn hübsch anzusehen sind sie allemal – die Schönheiten vom Lande.