Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Elternverbot auf dem Campus
Elena Rauch interpretiert eine wissenschaftliche Studie
Mütter müssen jetzt sehr tapfer sein. An der Universität Jena haben Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen elterlicher Fürsorge und späterem sozialem Engagement der Sprösslinge untersucht. Das Ergebnis ist ein Schlag gegen jedes mütterliche Selbstverständnis: Kinder, die zu Hause viel Nestwärme erleben, sind als junge Erwachsene weniger politisch aktiv und raffen sich seltener zu Freiwilligenarbeit auf.
Leider lässt die Studie brennende Fragen unbeantwortet. Bis zu welchem Alter darf ich für mein Kind das Herbarium für den Heimatkundeunterricht anlegen? Ziehe ich einen Egoisten groß, wenn ich meinem 15jährigen Sohn das Frühstück in die Schule hinterhertrage? Wie viele Anrufe sind erlaubt, wenn sich die 18-jährige Tochter auf Abschlussfahrt an der Costa Brava befindet? Sind fünf pro Tag wirklich zu viel?
Ich habe meine eigene Theorie. Bald beginnt wieder die Zeit der Einschreibungen für das neue Semester in Jena.universitäten klagen ja seit Längerem über lästige „Hubschraubereltern“. Überbesorgte Mütter und Väter, die in Sprechstunden die Professoren mit Fragen nerven, die wegen einer verhauenen Semesterarbeit mit dem Anwalt drohen, die Studentenheime mit Tiefkühlessen in Tupperdosen überschwemmen, was zu ernsthaften hygienischen Folgen führt. Diese Studie ist ein Akt von Notwehr. Ich kann nur raten: Seien Sie weiterhin lieb zu Ihren Kindern, aber halten Sie sich vom Campus fern!