Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Die Dummheit anderer und das Leiden daran
Der Künstler Horst Peter Meyer verlegt Atelier von Weimar nach Apolda. Das Kunsthaus dort zeigt seine Bilder und Texte
Apolda. Als einer der wichtigsten Thüringer Künstler wird der Maler, Grafiker und Dichter Horst Peter Meyer aus Weimar in Apolda gefeiert. Eine Woche vor seinem 69. Geburtstag eröffnete im Kunsthaus Apolda Avantgarde die ihm gewidmete Ausstellung „Neusaetze“mit Bildern, Blättern und Texten.
Der Titel ist doppeldeutig: Er verweist auf die Druckkunst wie auf den Texter Meyer, der viele Jahre lang auch als Aphoristiker in unserer Zeitung veröffentlichte. Er verweist aber auch auf die Adresse seines neuen Ateliers. Er verlegt es von der Erfurter Straße in Weimar an die Neusätze in Apolda. Am Rande der Vernissage sprachen wir mit ihm.
Herr Meyer, Sie sehen zur Vernissageaus wie viele Ihrer Bilder: viel Schwarz, viel Weiß, ein bisschen Rot. Ja! Das mache ich absichtlich – und bringe Rote mit hinein (durch ein Halstuch).
Wann entschieden Sie sich für die „Reduktion der Farbigkeit“, wie Kunsthauschefin Nadine Steinacker das nennt? Dafür kann man sich nicht entscheiden, das bildet sich so heraus. Bedingt durch den Atelierumzug, konnte ich alles noch mal sichten, was ich so gemalt und gezeichnet hatte. Da habe ich zum Beispiel gesehen, dass drei frühere Jahre ein anderes Rot hatten oder auch noch eine andere Farbe mehr besaßen. Eine solche Einteilung kann ich erst im Nachhinein vornehmen. Deshalb sage ich oft auf die Frage, weshalb ich so viel mit Rot male: Das gab es gerade als Sonderangebot im Baumarkt!
Sie verwenden aber eben klassische Druckerfarben. Sozusagen malen sie also Grafiken? Zumindest hat die Zurücknahme vieler malerischer Werte mit einem Crossover der Techniken zu tun: die Vermischung von Zeichnung und Malerei. Oft zeichne ich auch auf Leinwand und male auf Papier.
Und beides recht häufig in sehr großen Formaten. Ja. Ich mache auch kleiner Arbeiten. Aber das Große ist für mich Ausdrucksträger. Wenn es Sie zwingt, in eine solche Größe zu gehen, können Sie gar nichts dagegen machen. Es ist aber schwierig, so etwas zu verkaufen. Ich selbst könnte meine großen Arbeiten in meiner Weimarer Wohnung nicht aufhängen.
Ihr Atelier betreffend, haben Sie sich 2015 aber wesentlich vergrößert: mit dem Umzug nach Apolda, nachdem sie 42 Jahre in Weimar arbeiteten. Mir wurde einfach mein Atelier in der Erfurter Straße in Weimar gekündigt, sonst wäre ich wohl noch fünf, sechs Jahre dort geblieben. Anfangs war ich entsetzt, obwohl alles rechtens war. Ich hatte ein halbes Jahr Zeit, etwas Neues zu suchen. In Weimar finden Sie aber nicht viel. Letztlich habe ich mich in Apolda vergrößert und verbessert.
Nun sprechen sie von Weimar, „das bei Apolda liegt“. In meiner Dankesrede zur Vernissage war das eine Reminiszenz an die Stadt, in der ich jetzt arbeite – und ausgestellt werde. Allerdings, was die Rezeption und Förderung von gegenwärtiger Kunst anbelangt, ist Apolda nun einmal eine lobenswerte Stadt. In Weimar passiert in der Beziehung nicht allzu viel. Wann fand Ihre letzte Ausstellung in Weimar statt? Die fand noch unter ganz anderen personellen Voraussetzungen des Kulturamtes statt: 1999 in der Kunsthalle. Aber mittlerweile will ich auch gar nicht mehr in Weimar ausstellen.
Weshalb nicht? Nun ja, Thomas Bernhardt wollte seine Texte in Österreich ja auch nicht mehr aufführen und veröffentlichen lassen. – Aber ich wohne ja noch in Weimar.
Wo befindet sich dann jetzt also Ihr Lebensmittelpunkt? Das weiß ich selbst nicht so genau, aber wahrscheinlich eher in meinem Atelier. Dort halte ich mich viel lieber auf, ob es nun in der selben Stadt liegt wie meine Wohnung oder nicht. Selbst, wenn ich in all den Jahrzehnten krank wahr, 39 Fieber hatte und schweißnass wahr, zog ich mich an, ging ins Atelier und legte mich dort auf die Couch, um meine Bilder anzuschauen. Ich habe oft überlegt, Wohnen und Arbeiten an einem Ort zu vereinen. Aber so gibt es den bewussten Weg zur Arbeit und man hat auch einen Feierabend. Zudem ist die Fahrt nach Apolda landschaftlich wunderschön.
Hat sich Ihr Arbeiten durch den Ortswechsel verändert? Höchstens insofern, dass ich die neuen großen Bilder, die in der Ausstellungen hängen, im Atelier malen konnte. Dafür wäre in Weimar kein Platz gewesen. Dort bin ich dafür auf den Dachboden ausgewichen. Ich male ja sowieso auf dem Fußboden.
Matthias Ameis, Kulturchef im Landratsamt, hat Sie als „Thüringer Künstler“gewürdigt, Hartmut Kruse von der Sparkassenstiftung nennt Sie „einen der wichtigsten Künstler seiner Generation in Thüringen“. Können Sie damit eigentlich etwas anfangen? Naja, die müssen das so einteilen, weil sie Mittel für Thüringer Künstler verwalten.
Aber ansonsten ist Ihnen die Zuschreibung eher wurscht? Eigentlich schon. In anderem Zusammenhang habe ich darüber 1989/90 für die Zeitschrift des Deutschen Künstlerbundes geschrieben: Ich habe mich nicht als Ddr-maler verstanden, sondern als Maler. Zum Ddr-maler wurde ich gemacht, nachträglich und von anderen.
Sie sind nicht nur auch Autor, Sie bedienen sich in Ihren Bildern der Sprachen und Literatur. Ein Bild „Ohne Titel“würde es bei Ihnen nicht geben? Doch, das gibt’s auch. Die heißen „Ohne Titel“, in Klammern folgt dann doch einer. Der Titel ist für Betrachter die Vorgabe der Denkrichtung, oft weicht er ab von dem, was das Bild zeigt. Durch diese Unschärfe entsteht eine Spannung. Die muss dann jeder mit sich selbst ausmachen.
Sind Sprache und Literatur Ihr Impuls, um zu malen? So weit würde ich nicht gehen. Der Impuls ist das Bildnerische. Und die Erkenntnis der Dummheit anderer. Und das Leiden daran ist auch ein Impuls: Hauptmotivation und Generalthema. Es geht mir darum, mir während des Arbeitsprozesses Gedanken zu machen zu einem Thema und sie dabei zu klären. Erkenntnisgewinn durch die Arbeit. Damit würde die entstandene Arbeit als unwichtig herausfallen. Ganz so ist es nicht, man produziert ja wirklich etwas. Aber es geht ums Wachsen am Tun.
Was regt Sie auf heutzutage? Naja . . . Also, entschuldigen Sie, aber da brauche ich nur die Zeitung aufzuschlagen. Letztlich erregt mich alles, was ich als dumm und unzulänglich betrachte. Das treibt mich an.
Wenn Sie nicht gerade krank sind, gibt es dann dennoch Tage, an den Sie nicht malen? Ich bin jedenfalls täglich anwesend im Atelier. Korrigierende Blicke haben auch mit Malen zu tun. Prinzipiell arbeite ich an irgendetwas jeden Tag, auch Ostern und Weihnachten. Abends kritzele ich noch in ein Büchlein oder Heftchen hinein. Täglich entsteht etwas. Sonst würde ich unruhig werden. Das ist ein Trieb, dem ich gerne nachgehe.
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Ausstellung „Neusaetze“bis . September: Dienstag bis Sonntag, bis Uhr.