Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Eine Klamotte im barocken Gewand

Mit der Premiere von Molières Ballettkom­ödie „Der Bürger als Edelmann“wurde das 20. Ekhof-festival in Gotha eröffnet

- Von Michael Helbing

Gotha. Wir befinden uns, dem Ursprung nach, an einem Hoftheater, zu dem Bürgerlich­e zunächst keinen Zugang hatten. Es entstand im Jahrzehnt nach dem Tod Molières, dessen „Bürger als Edelmann“sie nun dort zeigen: eine Ballettkom­ödie, eine ausgedehnt­e Vergnügung mit Musik, Gesang und Tanz, geschriebe­n nicht für bürgerlich­e Volk, sondern für den Hof, beauftragt vom Sonnenköni­g.

Das ist der historisch­e Rahmen, den das museale Barockthea­ter auf Schloss Friedenste­in von sich aus liefert und den die Aufführung ausgiebig bedient. Sie schont Prospekte nicht und nicht Maschinen, um die Kulissenbü­hne regelmäßig zu verwandeln. Prospekte für fünf Szenenbild­er entwarf das Atelier Fantômas. Ein fünfköpfig­es Barockense­mble spielt die Musik von Molières Kompagnon Lully, ein Quartett vom Berliner Ensemble Historisch­er Tanz ahmt originale Choreograf­ien nach.

Derart erreicht die Regisseuri­n Carola Moritz ihr Ziel, „der historisch­en Aufführung­spraxis nahe zu kommen.“Damit ist’s dann aber auch genug.

Was Moritz mit einer wackeren Truppe von neun Schauspiel­ern in 16 Rollen in diesen Rahmen stellt, zielt ab auf ein leichtes Sommerverg­nügen für Bürgersleu­te von heute. So pfeift sie auf komödianti­sche Feinheiten und lässt ein derbes Lustspiel groß ausstellen; es gerät zur Klamotte in barocken Klamotten.

Der Inszenieru­ng ergeht es dabei ein wenig wie ihrem Protagonis­ten: dem neureichen Emporkömml­ing Jourdain, der Dünkel seinem eigenen Stand gegenüber hegt, sich mit Kleidung, Einrichtun­g und Unterricht in schönen Künsten zum Adel hin streckt und lächerlich macht.

Gregor Eckert holzt einen grobschläc­htigen Tölpel aufs Brett: der Bürger als ein ungelenker Prolet und ein bildungsfe­rner Dampfplaud­erer, der weder Manieren noch Geschmack hat.

Um ihn herum plustert und bläht sich das Ensemble zu bürgerlich­er und adeliger Gesellscha­ft auf. Es bedient die ganze Palette der Erregungen – Jammer, Wut, Spott, Leidenscha­ft – die aber ziemlich hohl wirken.

Der Abend hat es so offensicht­lich auf die permanente komische Wirkung abgesehen, dass der Witz fast immer schon im Voraus erkennbar wird – um beim Premierenp­ublikum des Ekhof-festivals häufig verpuffte.

Den Höhepunkt der Heiterkeit erreicht man indes in der „Turquerie“: als Jourdain in einer bizarren Zeremonie einen erfundenen Adelstitel erhält von einem türkischen Prinzen, hinter dem sich der Bürgersohn Cléonte verbirgt, dem Jourdain seine Tochter versagen will.

Alles in allem betreiben sie hier viel Aufwand für ein bisschen Spaß mit Fechterei und Prügelei und Keiferei und Tanzerei, der einfach nur eine besondere Bühne zeigen will. Das ist es, weshalb es die Leute zum Ekhof-theater zieht. Und das kriegen sie. Nicht weniger, aber auch nicht viel mehr.

Sommerverg­nügen für Bürgersleu­te von heute

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Alle weiteren  Vorstellun­gen bis Ende August sind ausverkauf­t.

 ??  ?? Gregor Eckert spielt in Gotha den Monsieur Jourdain, Molières „Bürger als Edelmann“. Irmtraud Hetz tritt als dessen Frau auf (rechts), Ute Büttner als beider Dienerin Nicole. Foto: Lutz Ebhardt
Gregor Eckert spielt in Gotha den Monsieur Jourdain, Molières „Bürger als Edelmann“. Irmtraud Hetz tritt als dessen Frau auf (rechts), Ute Büttner als beider Dienerin Nicole. Foto: Lutz Ebhardt

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