Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Wenn eine Matratze schon Luxus ist
Seit 13 Jahren lädt der Verein Salma Kinder aus der Westsahara für zwei Monate in den Südharz. So gut das den Kindern tut: Daheim droht ein neuer militärischer Konflikt
Niedergebra. So gern würde Bramim (5) Fahrrad fahren lernen, nicht nur dieses humpelnd schieben. Aber der Fuß will nicht. Ein Klumpfuß. Gips oder eine Operation würden helfen, werden helfen: Denn Ärzte in Erfurt wollen sich des Jungen aus der Westsahara annehmen.
Bramim ist eines von 21 Kindern aus Flüchtlingscamps in der algerischen Wüste, die zwei Monate hierzulande ihre Ferien genießen.in einem Klassenzimmer der Niedergebraer Grundschule sind seit Sonntag Matratzen ausgebreitet, das ist für die Kinder schon Luxus – daheim haben sie nur den Boden ihrer Lehmhütten. Sofern diese nach dem verheerenden Regen voriges Jahr nicht zusammengestürzt sind. „Ein Drittel des Markts in Smara war zerstört“, berichtet Margot Keßler von ihren im April gesammelten Eindrücken. Sie ist der Kopf des 23 Mitglieder zählenden Vereins Salma, der seit 13 Jahren die Flüchtlingskinder willkommen heißt. Die sollen Spaß haben im Freibad und beim Wandern durch den Wald, beim Fahrradfahren, beim Spielen.
Ein Bleicheröder Pflegedienst lädt wieder zu einem Fest, das Lehrerehepaar Bittner zu einem Grillabend; Kehmstedterinnen backen Kuchen. Kuchen für Kinder, deren Familien nur Mehl, Zucker, Tee, Bohnen und Linsen zugeteilt bekommen – kein Fleisch, kein Gemüse, kein Obst. Und in den eigenen Gärten in der Wüste wächst nicht allzu viel. Mehrheitlich sind die Kinder unterernährt. Bleicheröder Ärzte werden (auf eigene Rechnung) auch dieses Mal entsprechende Magen-darmkrankheiten diagnostizieren.
Keßler wird sehr nachdenklich, kommt sie auf den ungelösten politischen Konflikt der Westsahara zu sprechen. Nachdem der Un-generalsekretär Marokko jüngst als Besatzungsmacht kritisiert hatte, habe Marokko 80 Leute der Un-mission hinausgeworfen. „Obendrein werden die Essensrationen in den Camps mehr und mehr gekürzt. Was soll einen jungen Mann da noch davon abhalten,...?“Sie spricht den Satz nicht zu Ende, wissend um das Risiko eines erneuten Krieges.