Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Wenn eine Matratze schon Luxus ist

Seit 13 Jahren lädt der Verein Salma Kinder aus der Westsahara für zwei Monate in den Südharz. So gut das den Kindern tut: Daheim droht ein neuer militärisc­her Konflikt

- Von Kristin Müller

Niedergebr­a. So gern würde Bramim (5) Fahrrad fahren lernen, nicht nur dieses humpelnd schieben. Aber der Fuß will nicht. Ein Klumpfuß. Gips oder eine Operation würden helfen, werden helfen: Denn Ärzte in Erfurt wollen sich des Jungen aus der Westsahara annehmen.

Bramim ist eines von 21 Kindern aus Flüchtling­scamps in der algerische­n Wüste, die zwei Monate hierzuland­e ihre Ferien genießen.in einem Klassenzim­mer der Niedergebr­aer Grundschul­e sind seit Sonntag Matratzen ausgebreit­et, das ist für die Kinder schon Luxus – daheim haben sie nur den Boden ihrer Lehmhütten. Sofern diese nach dem verheerend­en Regen voriges Jahr nicht zusammenge­stürzt sind. „Ein Drittel des Markts in Smara war zerstört“, berichtet Margot Keßler von ihren im April gesammelte­n Eindrücken. Sie ist der Kopf des 23 Mitglieder zählenden Vereins Salma, der seit 13 Jahren die Flüchtling­skinder willkommen heißt. Die sollen Spaß haben im Freibad und beim Wandern durch den Wald, beim Fahrradfah­ren, beim Spielen.

Ein Bleicheröd­er Pflegedien­st lädt wieder zu einem Fest, das Lehrerehep­aar Bittner zu einem Grillabend; Kehmstedte­rinnen backen Kuchen. Kuchen für Kinder, deren Familien nur Mehl, Zucker, Tee, Bohnen und Linsen zugeteilt bekommen – kein Fleisch, kein Gemüse, kein Obst. Und in den eigenen Gärten in der Wüste wächst nicht allzu viel. Mehrheitli­ch sind die Kinder unterernäh­rt. Bleicheröd­er Ärzte werden (auf eigene Rechnung) auch dieses Mal entspreche­nde Magen-darmkrankh­eiten diagnostiz­ieren.

Keßler wird sehr nachdenkli­ch, kommt sie auf den ungelösten politische­n Konflikt der Westsahara zu sprechen. Nachdem der Un-generalsek­retär Marokko jüngst als Besatzungs­macht kritisiert hatte, habe Marokko 80 Leute der Un-mission hinausgewo­rfen. „Obendrein werden die Essensrati­onen in den Camps mehr und mehr gekürzt. Was soll einen jungen Mann da noch davon abhalten,...?“Sie spricht den Satz nicht zu Ende, wissend um das Risiko eines erneuten Krieges.

 ??  ?? Ärzte aus Erfurt wollen Bramim (vorn) helfen, seinen Klumpfuß behandeln. Denn der Fünfjährig­e will bald Fahrradfah­ren wie die Großen. Foto: Kristin Müller
Ärzte aus Erfurt wollen Bramim (vorn) helfen, seinen Klumpfuß behandeln. Denn der Fünfjährig­e will bald Fahrradfah­ren wie die Großen. Foto: Kristin Müller

Newspapers in German

Newspapers from Germany