Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Wenn auf dem Sondershäuser Schlo
Nach sieben Vorstellungen des amerikanischen Erfolgsmusicals ist im Ensemble Routine eingekehrt, herrscht hinter den Kulissen mitunter heitere Gel
Sondershausen. Hände in den Hüften tippelt sie auf den unebenen Pflastersteinen neben einem Holztisch vor und zurück. Leise spricht Uta Haase vor sich hin. Hält inne. Bleibt stehen. Richtet den Kragen ihres hochgeschlossenen Kleides.
Sie faltet die Hände. Ihre Daumen drehen sich umeinander. Auf den Fußballen wippt sie vor und zurück. Hände wieder an die Hüfte. Auf und ab läuft sie neben dem Tisch. Faltet die Hände hinter dem Rücken. Dreht sich zum Tisch. Nimmt das Tuch, das über einer Wasserkaraffe liegt.
Sie schlägt es auf. Schüttelt es kräftig. Faltet es wieder zusammen. Legt es zurück auf die Kanne. Nimmt die Waschschüssel mit der Kanne auf und geht. Auftritt Golde. Im kleinen Zwischengang des Schlosses – mit schwarzen Vorhängen abgehängt – sprinten ihre kleinen Töchter Shprintze und Bielke hinter ihr her. Die Treppe hoch zur Bühne.
Dort oben wird „Anatevka“gegeben. Es ist die siebente Aufführung der Schlossfestspiele in diesem Jahr.
Hinter und vor den Kulissen sorgen wie jeden Abend rund 100 Menschen, dass alles reibungslos funktioniert.
Zwei Techniker tragen vorsichtig den Milchwagen von der Bühne, die Treppe herunter, stellen ihn im Zwischengang hinter den Vorhang.
Nicht im Blaumann oder Jeans. Sie sind nicht zu unterscheiden von den Schauspielern, tragen schwarze Hosen und Reitstiefel, Hemd und Weste. Wenn es die Szene erfordert, ziehen sie sich noch einmal um. Im langen weißen Nachthemd und mit altmodischer Schlafmütze sind sie auf der Bühne zu sehen und schieben das Bett mit Golde und Tevje an die richtige Position.
An der offenen Tür zum Zwischengang hängen Ablaufpläne. Im Laufe der Aufführungen wurden sie verfeinert. Mit rosa Markern sind Anweisungen unterstrichen. Mit Bleistift wurden Notizen hinzugefügt: Wann sind die Kinder aus der Maske zu rufen, wann werden die Kerzen gebraucht. Szene für Szene ist hier festgehalten.
Requisiteur Michael Stoff steht an der Tür und liest nach. Golde ruft auf der Bühne: „Zeitel, deckt den Tisch.“
Der schwarze Vorhang am Seitengang hebt sich. Tevje erscheint. Statt durch die Tür schlüpft er unter dem Vorhang durch. Dafür muss er den Kopf ein wenig einziehen.
Aber der Weg war kürzer als durch die Tür.
Eine Ankleiderin kommt auf ihn zugestürzt. Bis eben saß sie ruhig auf einer Bank am Rande des Gangs. In der Hand hat sie
Golde (Uta Haase) geht mit Waschschüssel und Kanne in Richtung Bühnenaufgang.
schon den schwarzen Mantel. Sie hilft Thomas Bayer in den Mantel, schließt die Knöpfe. Dann drückt sie ihm den schwarzen Hut in die Hand.
Tevje muss zurück auf die Bühne. Zeitel und ihr Schneider Mottel Kamzoil warten auf ihn.
Im Stechschritt kommen zwei Soldaten angelaufen. Die Stiefel poltern auf dem Pflaster. Kaum einer blickt auf. Man schaut verstohlen aufs Handy. Trinkt Wasser. Wer Zeit hat, geht zurück in die Garderobe, auf die Toilette. In der Pause wird die Schlange lang sein.
Aber vor allem wird hier hinten geschwatzt. Es wird erzählt. Der Aufritt ausgewertet: Einsatz verpasst. Ein falsches Wort benutzt. An der falschen Stelle gestanden. Mit hastiger Stimme werden kleine Fehler aufgezählt, von denen auf der Tribüne kein Besucher etwas bemerkt haben wird.
Ein paar Sekunden später scheint es vergessen. Es wird gesungen und mitgesprochen.
Nach sieben Vorstellungen kennt jeder auch die Texte und Lieder der Kollegen. Leo Mastjugin, der Mottel Kamzoil gibt, offenbar so gut, dass er kurzerhand die Zeilen als Rap anstimmt.
Maja Lüdecke und Lena Trietchen, die beiden Nachwuchsschauspielerinnen, sind bei jeder Szene dabei. Hinter der Bühne geben sie mal die auferstandene Oma Zeitel oder kreischen als halbtote Fruma Zara mit. Und es wird getanzt. Die Frauen tanzen. Die Männer auch. Requisiteur mit der Regieassistentin. Wachtmeister mit Ballettdame.
Geht es auf der Bühne vergnügt zu. Herrscht hinter ihr Ausgelassenheit. Lacht das Publikum, dann wird hinter der Bühne gefeiert.
Und es wird gescherzt. Es wird gelacht. Mancher lässt das Spielen auch hinter Bühnenbild und Vorhang nicht. Ist die Kamera des Fotografen zu sehen, posiert man erst einmal.
Ein weiterer Soldat kommt. Er schlendert zum Bühnenaufgang. Er schmunzelt. Die Uniformjacke ist noch offen. In ein paar Sekunden wird er korrekt gekleidet vors Publikum treten.
Mehr Bilder vom Blick hinter die Bühne im Internet unter www.ta-sondershausen.de