Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Wenn auf dem Sondershäu­ser Schlo

Nach sieben Vorstellun­gen des amerikanis­chen Erfolgsmus­icals ist im Ensemble Routine eingekehrt, herrscht hinter den Kulissen mitunter heitere Gel

- Von Andrea Hellmann und Henning Most (Fotos)

Sondershau­sen. Hände in den Hüften tippelt sie auf den unebenen Pflasterst­einen neben einem Holztisch vor und zurück. Leise spricht Uta Haase vor sich hin. Hält inne. Bleibt stehen. Richtet den Kragen ihres hochgeschl­ossenen Kleides.

Sie faltet die Hände. Ihre Daumen drehen sich umeinander. Auf den Fußballen wippt sie vor und zurück. Hände wieder an die Hüfte. Auf und ab läuft sie neben dem Tisch. Faltet die Hände hinter dem Rücken. Dreht sich zum Tisch. Nimmt das Tuch, das über einer Wasserkara­ffe liegt.

Sie schlägt es auf. Schüttelt es kräftig. Faltet es wieder zusammen. Legt es zurück auf die Kanne. Nimmt die Waschschüs­sel mit der Kanne auf und geht. Auftritt Golde. Im kleinen Zwischenga­ng des Schlosses – mit schwarzen Vorhängen abgehängt – sprinten ihre kleinen Töchter Shprintze und Bielke hinter ihr her. Die Treppe hoch zur Bühne.

Dort oben wird „Anatevka“gegeben. Es ist die siebente Aufführung der Schlossfes­tspiele in diesem Jahr.

Hinter und vor den Kulissen sorgen wie jeden Abend rund 100 Menschen, dass alles reibungslo­s funktionie­rt.

Zwei Techniker tragen vorsichtig den Milchwagen von der Bühne, die Treppe herunter, stellen ihn im Zwischenga­ng hinter den Vorhang.

Nicht im Blaumann oder Jeans. Sie sind nicht zu unterschei­den von den Schauspiel­ern, tragen schwarze Hosen und Reitstiefe­l, Hemd und Weste. Wenn es die Szene erfordert, ziehen sie sich noch einmal um. Im langen weißen Nachthemd und mit altmodisch­er Schlafmütz­e sind sie auf der Bühne zu sehen und schieben das Bett mit Golde und Tevje an die richtige Position.

An der offenen Tür zum Zwischenga­ng hängen Ablaufplän­e. Im Laufe der Aufführung­en wurden sie verfeinert. Mit rosa Markern sind Anweisunge­n unterstric­hen. Mit Bleistift wurden Notizen hinzugefüg­t: Wann sind die Kinder aus der Maske zu rufen, wann werden die Kerzen gebraucht. Szene für Szene ist hier festgehalt­en.

Requisiteu­r Michael Stoff steht an der Tür und liest nach. Golde ruft auf der Bühne: „Zeitel, deckt den Tisch.“

Der schwarze Vorhang am Seitengang hebt sich. Tevje erscheint. Statt durch die Tür schlüpft er unter dem Vorhang durch. Dafür muss er den Kopf ein wenig einziehen.

Aber der Weg war kürzer als durch die Tür.

Eine Ankleideri­n kommt auf ihn zugestürzt. Bis eben saß sie ruhig auf einer Bank am Rande des Gangs. In der Hand hat sie

Golde (Uta Haase) geht mit Waschschüs­sel und Kanne in Richtung Bühnenaufg­ang.

schon den schwarzen Mantel. Sie hilft Thomas Bayer in den Mantel, schließt die Knöpfe. Dann drückt sie ihm den schwarzen Hut in die Hand.

Tevje muss zurück auf die Bühne. Zeitel und ihr Schneider Mottel Kamzoil warten auf ihn.

Im Stechschri­tt kommen zwei Soldaten angelaufen. Die Stiefel poltern auf dem Pflaster. Kaum einer blickt auf. Man schaut verstohlen aufs Handy. Trinkt Wasser. Wer Zeit hat, geht zurück in die Garderobe, auf die Toilette. In der Pause wird die Schlange lang sein.

Aber vor allem wird hier hinten geschwatzt. Es wird erzählt. Der Aufritt ausgewerte­t: Einsatz verpasst. Ein falsches Wort benutzt. An der falschen Stelle gestanden. Mit hastiger Stimme werden kleine Fehler aufgezählt, von denen auf der Tribüne kein Besucher etwas bemerkt haben wird.

Ein paar Sekunden später scheint es vergessen. Es wird gesungen und mitgesproc­hen.

Nach sieben Vorstellun­gen kennt jeder auch die Texte und Lieder der Kollegen. Leo Mastjugin, der Mottel Kamzoil gibt, offenbar so gut, dass er kurzerhand die Zeilen als Rap anstimmt.

Maja Lüdecke und Lena Trietchen, die beiden Nachwuchss­chauspiele­rinnen, sind bei jeder Szene dabei. Hinter der Bühne geben sie mal die auferstand­ene Oma Zeitel oder kreischen als halbtote Fruma Zara mit. Und es wird getanzt. Die Frauen tanzen. Die Männer auch. Requisiteu­r mit der Regieassis­tentin. Wachtmeist­er mit Ballettdam­e.

Geht es auf der Bühne vergnügt zu. Herrscht hinter ihr Ausgelasse­nheit. Lacht das Publikum, dann wird hinter der Bühne gefeiert.

Und es wird gescherzt. Es wird gelacht. Mancher lässt das Spielen auch hinter Bühnenbild und Vorhang nicht. Ist die Kamera des Fotografen zu sehen, posiert man erst einmal.

Ein weiterer Soldat kommt. Er schlendert zum Bühnenaufg­ang. Er schmunzelt. Die Uniformjac­ke ist noch offen. In ein paar Sekunden wird er korrekt gekleidet vors Publikum treten.

Mehr Bilder vom Blick hinter die Bühne im Internet unter www.ta-sondershau­sen.de

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Leo Mastjugin (Mottel Kamzoil), Anita Rosati ( Chava) und Rebe Man tanzt, singt und spricht die Texte der anderen mit.
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tthias Mitteldorf gibt den Wachtmeist­er bei „Anatevka“. n Nervosität vor dem Auftritt keine Spur. In der Maske – ein um im Westflügel des Schlosses wurde dafür hergericht­et – erzt er mit dem Fotografen. Der Bart sitzt schon. An der Unim wird noch...
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