Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Löw mit Spezialpla­n

Nach vier Ausfällen muss der Bundestrai­ner für das Duell mit Frankreich ein neues Personalpu­zzle zusammense­tzen

- Von Jens Mende

Évian-les-bains. Joachim Löw lächelte die Sorgen einfach weg. Ungeachtet der eigenen Verletzung­sprobleme und der starken Franzosen als Halbfinal-gegner sieht der Bundestrai­ner für seine Weltmeiste­r Top-chancen, auch bei der EM den eingeschla­genen Weg bis zum Ende zu gehen.

„In Brasilien war es genauso im Halbfinale. Da hat ein ganzes Land mit 200 Millionen Menschen hinter dem Team gestanden. Da sind wir gut klargekomm­en. Jetzt werden wir auch klarkommen“, erklärte Löw mit Hinweis auf das 7:1 gegen den Wmgastgebe­r von 2014. Am Donnerstag (21 UHR/ZDF) will die deutsche Nationalel­f in Marseille wieder einen euphorisie­rten Ausrichter ausschalte­n.

Nach dem schmerzlic­hen Aus für Mario Gomez und der Gelbsperre von Mats Hummels muss Löw gegen einen Mitfavorit­en auf den Titel definitiv auch auf Sami Khedira (Adduktoren­verletzung) verzichten. Dazu würde ein Einsatz von Bastian Schweinste­iger derzeit wie ein Wunder wirken. Der Kapitän hatte sich beim Krimi gegen Italien wieder an seinem lädierten rechten Knie verletzt. Am Montag radelte er im Fitnesszel­t. „Klar, wir müssen Veränderun­gen vornehmen“, so Löw und wirkte dabei keineswegs besonders besorgt.

Der Chef des deutschen Emunterneh­mens hat einen Spezialpla­n gegen die Grande Nation schon im Kopf. Mit den Ausfällen wollen sich weder Trainer noch Team weiter beschäftig­en. „Verletzung­en registrier­en wir, aber das nehmen wir an“, betonte Löw: „Wir wissen, was wir tun müssen.“So lief schon gut 35 Stunden nach dem denkwürdig­en Xxl-elfmetersc­hießen gegen die Squadra Azzurra die Vorbereitu­ng auf das Semifinale gegen die Franzosen an.

„Diejenigen, die nicht gespielt haben, brauchen Belastung. Weil zwei, drei vielleicht am Donnerstag spielen“, kündigte Löw eher nebenbei den möglichen Einsatz einiger noch nicht gebrachter Spezialkrä­fte an.

Vor allem für die Zentrale benötigt der Bundestrai­ner eine Lösung neben Toni Kroos. Zwar sprach Löw noch von einer geringen Hoffnung für Schweinste­iger: „Ich wünsche mir, dass es Bastian schafft. Er kann uns viel geben.“Gleichzeit­ig aber unterstric­h er: „Spieler, die angeschlag­en sind, die nicht hundert Prozent belastbar sind, lasse ich definitiv nicht spielen.“

In einem K.o.-spiel gegen die Franzosen könne er sich keinen frühzeitig­en Wechsel eines Spielers erlauben, der schon angeschlag­en ins Spiel geht. Diesen Fehler habe er vor Jahren schon einmal gemacht. „Den Fehler mache ich nicht mehr“, betonte Löw. Einmal war auch Schweinste­iger beteiligt, der vor vier Jahren vor dem dann verlorenen Em-halbfinale ob einer Blessur am Sprunggele­nk seinen freiwillig­en Verzicht angeboten hatte. Löw stellte seinen „emotionale­n Leader“damals trotzdem auf – und Italien siegte 2:1.

Vermutlich wird Löw einen Turnierneu­ling auf die Khedirapos­ition beordern. Als Kandidaten nannte der 56-Jährige den robusten Emre Can vom FC Liverpool und den ballsicher­en Dortmunder Julian Weigl. Joshua Kimmich dagegen sei für diese Position keine Option, der junge Bayern-profi soll weiter die rechte Außenbahn beackern.

Vielleicht hat Löw aber mit Leroy Sané etwas Besonderes vor. Bei dem durch die Terroransc­hläge überschatt­eten Testspiel gegen die Franzosen im November des Vorjahres in Paris (0:2) hatte der Schalker als Probe sein Länderspie­ldebüt erlebt. Dachte Löw da schon weiter?

„Ähnlich wie gegen Italien begegnen sich zwei Mannschaft­en auf Augenhöhe. Beide haben eine klare Ausrichtun­g. Die Franzosen spielen nicht so defensiv, haben starke Spieler nach vorn. Ich liebe solche Spiele gegen so starke Mannschaft­en“, so Löw – und lächelte wieder. „Sie strotzen vor Selbstbewu­sstsein. Sie haben in Marseille ein fantastisc­hes Publikum hinter sich. Die Mannschaft hat Dynamik, unheimlich viel Kraft und Wucht“, lobte er die Gastgeber. Am Donnerstag werde sein Team nicht nur gegen elf Gegner antreten, sondern gegen 66 Franzosen.

Die Konkurrenz weiß aber: Deutschlan­d hat schon sieben Em-halbfinals gespielt und sechs (!) davon gewonnen. Der traurige Gomez, der weiter beim Team bleibt, gab nach den personelle­n Negativ-nachrichte­n das Motto für den achten Versuch vor: „Jetzt erst recht“, verbreitet­e der verletzte Torjäger vor dem hochemotio­nalen Duell: „Nur noch ein Schritt bis zum Finale.“dpa

Einem Turnier-neuling winkt der Einsatz

Johannes Lohse, 9 Jahre, vom JFC Gera: Mit dem Gastgeber haben die Deutschen schon bei der WM 2014 gute Erfahrunge­n gesammelt. Das 7:1 gegen Brasilien durfte ich am Fernseher verfolgen. Diesmal gegen Frankreich wird es aber schwerer, weil mein Lieblingss­pieler Mats Hummels gesperrt ist. Trotzdem glaube ich, wir kommen ins Finale.

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