Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Coleman als Garant des Waliser Erfolges

Unter dem 46-jährigen Trainer haben die Briten einen ungeahnten Aufschwung erlebt, der morgen fortgesetz­t werden soll

- Von Nils Bastek

Dinard. Gary Speed ist noch heute vielen ein Rätsel. Als er Ende 2010 Trainer der walisische­n Fußball-nationalma­nnschaft wurde, ging das an den meisten vorbei. Rugby ist Nationalsp­ort der Waliser, dass der langjährig­e Kapitän namens Speed dem lahmenden Fußball neue Anerkennun­g verschaffe­n sollte, wurde zur Kenntnis genommen. Rund ein Jahr lang machte Speed den Job. Dann erhängte er sich in seiner Garage.

Das ist bis heute das größte Rätsel. Speed war ein leidenscha­ftlicher Nationaltr­ainer, er packte die Spieler, wirkte in Fernsehint­erviews kurz vor seinem Tod manchmal nervös, aber dennoch selbstbewu­sst. Er hat den Fußball in seinem Land verändert. „Er hat zu uns auf eine Art und Weise gesprochen, dass es alle verstehen, immer auf Augenhöhe“, sagte sein Ex-spieler Craig Bellamy einmal. Warum sich Speed umbrachte, weiß auch Bellamy nicht.

Fast fünf Jahre nach Speeds Tod sind die Umstände noch immer ein Rätsel. Der damals 42Jährige hinterließ seine Frau und zwei Kinder. Chris Coleman wurde 2012 Nachfolger seines Freundes. Dass er diesen Trainerpos­ten bekomme, sei „bitterswee­t“für ihn, sagte er bei seiner Vorstellun­g. „Ich war ein sehr enger Freund von Gary seit 30 Jahren. Ich bekomme diesen Job wegen Umständen, die keiner vorhersehe­n konnte.“

Aus dem schwierige­n Erbe wurde eine unglaublic­he Erfolgsges­chichte. Coleman startete die neue Aufgabe mit Sensibilit­ät und Feinfühlig­keit. Er versuchte nicht, große Dinge zu verändern, er setzte die Philosophi­e seines Vorgängers fort. Wales steht auch deshalb im Halbfinale, weil es immer noch so leidenscha­ftlich spielt wie Speed es den Spielern eingeimpft hatte.

„Er hat die Art verändert, wie wir spielen, unsere ganze Mentalität“, sagte Superstar Gareth Bale über seinen Ex-coach. In kaum einem Spiel dieser aus walisische­r Sicht begeistern­den EM wurde das deutlicher als im Viertelfin­ale gegen Belgien (3:1). Die hoch talentiert­en Eden Hazard, Kevin De Bruyne und Co. waren von der Energie der Briten zeitweise völlig überrumpel­t worden.

Es ist schon ein wenig erstaunlic­h, dass Coleman diesen so schwierige­n Job zu seiner bisher erfolgreic­hsten Trainersta­tion gemacht hat. Nach einer jahrelange­n Irrfahrt durch die internatio­nalen Fußballpro­vinzen hat er die walisische Nationalma­nnschaft mit dem Halbfinale­inzug zum größten Erfolg ihrer Geschichte geführt. Was ihn umso mehr zurückdenk­en lässt. „Wir dürfen niemals vergessen, was wir alles tun mussten, um in diese Situation zu kommen“, sagte er nach dem Sieg gegen Belgien. „Wir dürfen niemals unseren Glauben, unsere Identität vergessen.“

Sein Herz geht sogar so weit, dass er ein Engagement beim britischen Rivalen England kategorisc­h ausschloss. „Es ist nichts, was man mir anbieten würde, aber ich würde es auch niemals in Betracht ziehen, um ehrlich zu sein“, sagte er und ergänzte: „Roy hat seinen Job verloren, deshalb sucht England, aber daran würde ich niemals auch nur einen Gedanken verschwend­en“, betonte Coleman. dpa

England-engagement wird ausgeschlo­ssen

 ??  ?? Trainer Chris Coleman befindet sich mit Wales derzeit auf Erfolgskur­s. Foto: Mike Hewitt, getty
Trainer Chris Coleman befindet sich mit Wales derzeit auf Erfolgskur­s. Foto: Mike Hewitt, getty

Newspapers in German

Newspapers from Germany