Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Der Stolz überwiegt
Obwohl die Isländer im Viertelfinale ausgeschieden sind, gelten sie als Gewinner des Turniers. WM 2018 im Blick
Reykjavik. „Es ist nie gut, ein Spiel zu verlieren, aber was mehr wiegt, ist, was wir erreicht haben. Und darauf sind wir stolz.“Dagur B. Eggertsson, der Bürgermeister von Reykjavik, spricht aus, was wohl die Mehrheit der Isländer am Montag nach der Em-niederlage gegen Frankreich denkt.
Fünf Gegentore von Gastgeber Frankreich musste die isländische Nationalelf am Sonntagabend einstecken. Damit war es aus mit dem knapp dreiwöchigen Em-märchen der Wikinger. Doch Tränen sieht man keine. Bürgermeister Eggertsson ist sicher: „Dieser Sommer wird in die Geschichtsbücher eingehen.“Dass eine Nation so geschlossen ihr Fußballteam anfeuert, hat es zumindest in Island vorher nicht gegeben. Einschaltquoten von 99,8 Prozent, Zehntausende, die zu den Spielen nach Frankreich flogen und weitere Zehntausende, die sich die Spiele beim Public Viewing in der Innenstadt von Reykjavik anschauten. „Die Nation war der zwölfte Spieler auf dem Feld“, meint Eggertsson.
Das kleine Land mit seinen 330 000 Einwohnern befand sich wirklich in einem Ausnahmezustand. Doch das kann nicht jeder lange aushalten. Andri Marteinsson ist irgendwie froh, dass es nun vorbei ist. „Die letzten Wochen waren auch sehr anstrengend“, räumt der 51-Jährige von der Tourismusagentur Promote Island erschöpft ein. „Es war so aufregend, man hat immer an den Fußball gedacht.“
Dass die isländische Nationalmannschaft sich bis ins Viertelfinale kämpfen konnte, hat dem Land eine mediale Aufmerksamkeit geschenkt, von dem die Tourismusexperten nur träumen können. „Es wird ohne Zweifel einen Unterschied machen, wie die Welt nun auf Island schaut“, meint Marteinsson. „Nun sehen die Menschen, dass wir nicht nur eine einzigartige Natur haben, sondern auch Leute mit Talenten. Ich freue mich, dass jetzt die anderen Qualitäten von Island gesehen werden.“
Das gute Abschneiden der Nationalelf ist auch ein Verdienst einer ambitionierten Sportpolitik. In den letzten zehn Jahren sind in Island jede Menge Sportstätten und Hallen entstanden, damit im Winter weiter trainiert werden kann. „Wir haben viele gute junge Leute“, sagt Eggertsson. Wohl auch deshalb verbringt man in Island nicht viel Zeit mit Wundenlecken. Die nächste Weltmeisterschaft ist nur zwei Jahre entfernt. dpa Frankreich: Lloris – Sagna, Umtiti, Koscielny (72. Mangala), Evra – Pogba, Matuidi – Sissoko, Griezmann, Payet (80. Coman) – Giroud (60. Gignac). Island: Halldorsson – Saevarsson, Arnason (46. Ingason), R. Sigurdsson, Skulason – Gudmundsson, Gunnarsson, G. Sigurdsson, B. Bjarnason – Sigthorsson (83. Gudjohnsen), Bödvarsson (46. Finnbogason). Sch.: Kuipers (Niederlande), Z.: 76 833, T.: 1:0 Giroud (12.), 2:0 Pogba (20.), 3:0 Payet (43.), 4:0 Griezmann (45.), 4:1 Sigthorsson (56.), 5:1 Giroud (59.), 5:2 Bjarnason (84.).