Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Die kleinsten Fehler entscheide­n“

Vor der Leichtathl­etik-em spricht der Thüringer Sprinter Julian Reus über seine Aussichten, die Gesundheit und Geld

- Von Thomas Lelgemann

Amsterdam. Julian Reus ist der schnellste Deutsche und einer der bekanntest­en deutschen Leichtathl­eten. Bei den Europameis­terschafte­n von morgen bis Sonntag in Amsterdam ist er auf seinen Einzelstre­cken 100 und 200 Meter sowie mit der deutschen Sprintstaf­fel ein heißer Medaillenk­andidat. Seine gute Form bewies der in Erfurt lebende Sprinter vor zwei Wochen mit dem deutschen Rekord über 100 Meter in 10,03 Sekunden beim Zeulenroda Meeting.

Nach Ihrem deutschen Rekord über 100 Meter in Zeulenroda haben Sie gesagt, jetzt werde ich meinen Körper erst mal in Watte packen. Wie sieht Julian Reus in Watte aus? Vielleicht war es etwas übertriebe­n, aber es geht darum, dass ich in der kurzen Zeit bis zu den Europameis­terschafte­n in Amsterdam noch intensiver in meinen Körper hinein horche. Die Geschwindi­gkeiten meiner Läufe sind jetzt höher als beispielsw­eise im März oder April. Weil das Risiko so größer ist, habe ich die eine oder andere Behandlung mehr, die eine oder andere Trainingse­inheit jedoch weniger gemacht. Kältebecke­n, Physiother­apie: Alles, was ein Sprinter braucht, um schnell zu bleiben. Die Form ist da, jetzt muss ich gesund bleiben, um sie bei der EM und dann bei den Olympische­n Spielen in Rio abzurufen.

Woran merken Sie, dass Sie jetzt besonders auf Ihren Körper aufpassen müssen? Ich arbeite seit über zehn Jahren mit meinem Physiother­apeuten zusammen. Der spürt, ob und wo es Spannungen in der Muskulatur gibt. Wichtig ist auch das Auge meines Trainers, der sieht, ob mein Laufbild gut ist oder ob ich ein wenig müde wirke. Dann ist die Gefahr einer Verletzung größer. Und dann bin ich selbst auch noch da. Ich merke, ob ich nach einem Wettkampf beispielsw­eise mal eine Einheit auslassen muss. Das größte Talent ist Gesundheit. Im Sprint muss man hundertpro­zentig fit sein.

Sie kennen ja auch andere Zeiten. Nachdem Sie 2007 Doppel-junioren-europameis­ter geworden sind, haben Sie einige Jahre nicht Ihr Talent ausschöpfe­n können. Ja, Da ist einiges zusammen gekommen. Eine Borreliose, Knochenöde­m am Schambein.

Haben Sie in dieser Zeit mal gedacht, jetzt gebe ich auf? Nein. Nie. So wollte ich nicht aufhören. Ich habe gespürt, dass ich längst nicht an meinem Leistungsl­imit angekommen war. Ich habe immer daran geglaubt, gesund zu werden und dann schneller als meine damalige Bestzeit von 10,28 Sekunden zu laufen.

Das haben Sie eindrucksv­oll bewiesen und sind jetzt die Nummer drei über 100 Meter in Europa. Mit welchem Ziel fahren Sie zur EM nach Amsterdam? Ich will mein Ding durchziehe­n, ich will Rennen machen, mit denen ich dann zufrieden bin. Keine Fehler machen und das Bestmöglic­he geben. Wozu es dann reicht, kann ich jetzt noch nicht sagen. Die Konkurrenz liegt eng zusammen: Zwischen Platz drei und 15 liegt rund eine Zehntelsek­unde. Die kleinsten Fehler können entscheide­n.

Eine Medaille ist für Sie aber möglich? Es ist möglich, aber ich kann auch Vierter in sagen wir 10,08 Sekunden werden und der Dritte hat 10,07. Ich messe mich nicht daran, ob ich eine Medaille gewinne, sondern daran, wie meine Leistung ist und ob ich damit zufrieden bin. Auf die Gegner habe ich keinen Einfluss.

Realistisc­h gesehen haben Sie bei der EM die einzige Chance auf eine Einzelmeda­ille, weil bei Olympia und Weltmeiste­rschaften die Konkurrenz aus den USA und der Karibik im Sprint übermächti­g ist. Realistisc­h gesehen ist es so. Aber wie gesagt: Ohne ein eigenes gutes Rennen geht es nicht. Mit der Staffel sind wir 2012 und 2014 jeweils Em-zweiter und bei den letzten beiden Weltmeiste­rschaften jeweils Vierter geworden. Deshalb ist es unser Anspruch, unsere Leistung ein weiteres Mal zu zeigen. Wenn wir einen guten Job machen, dann ist eine Medaille drin. Sie sind der schnellste Deutsche. Das ist etwas ganz Besonderes. Was bedeutet Ihnen dieser Rekord? Das hört sich schön an, aber ich bin eher Rationalis­t als Gefühlsmen­sch. Ich bin noch mitten in meiner Karriere. Darüber mache ich mir eigentlich gar keinen Kopf. Mich interessie­rt, wie kann ich noch besser werden? Was muss ich dafür gegebenenf­alls ändern? Die pauschale Aussage schnellste­r Deutscher bedeutet mir weniger als die Tatsache, dass ich seit 2012 in jedem Jahr schneller als 10,10 gelaufen bin.

Was haben Sie getan, um in jedem Jahr noch schneller zu werden? Harte Arbeit. Ich kann nicht ein, zwei, drei Dinge benennen. Das ist ein Zusammensp­iel vieler Faktoren, das sind kleinste Stellschrä­ubchen. Ganz wichtig sind mein Team, meine Familie, mein Verein TV Wattensche­id, die Bundeswehr und auch meine Staffelkol­legen.

Lässt sich der schnellste Deutsche eigentlich gut vermarkten? Ich mache meinen Sport nicht wegen des Geldes. Das ist ein schwierige­s, komplexes Thema. Wann ist man mit seinen Einnahmen zufrieden? Wie viel sollte der schnellste Deutsche oder der beste deutsche Fußballer verdienen? Das sind alles Fragen, die sich nicht beantworte­n lassen. Die einen sagen, ich verdiene gut, die anderen meinen, es sei zu wenig. Ich führe ein glückliche­s Leben, weiß aber, dass das verdiente Geld nicht dazu ausreicht, länger davon zu leben. Deshalb habe ich mich um eine vernünftig­e Ausbildung gekümmert. Der Sport gibt mir so viel, dass ich es nicht auf die Beantwortu­ng der Frage herunter brechen möchte, ob ich genug damit verdient habe.

Sind Sie nicht manchmal neidisch auf Ihren Namensvett­er, den Dortmunder Fußballsta­r Marco Reus? Nein, das bringt auch nichts. Ich möchte gar nicht mit ihm tauschen. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Es ist wichtiger, ein glückliche­r Mensch zu sein als viel Geld zu verdienen.

Ich weiß, die Frage, ob und wann Sie die Zehn-sekundenma­rke unterbiete­n, mögen Sie nicht. Ich muss sie trotzdem stellen. Seit drei Jahren höre ich sie. Ich will eigentlich nichts mehr dazu sagen. Mittlerwei­le ist es ja schon fast so, dass die Leute es fordern. Das kann ich nicht verstehen. Ich bewerte meine sportliche Karriere nicht danach, ob ich unter zehn Sekunden gelaufen bin oder nicht. Ich kann es schaffen, wenn alle Bedingunge­n stimmen, aber hinter meinem Sport steckt viel mehr als diese einzige Zahl. Nordhausen. Der Ex-nationalsp­ieler Maurizio Gaudino (Foto) ist neuer sportliche­r Leiter beim Fußball-regionalli­gisten Wacker 90 Nordhausen. „Wir haben uns mit Maurizio Gaudino auf einen 2-Jahresvert­rag geeinigt. Er wird Wacker weiter nach vorn bringen. Die Chemie zwischen uns stimmt“, erklärte Präsident Nico Kleofas glücklich über die Zusammenar­beit. Der 49 Jahre alte Gaudino ist Spielerber­ater und Inhaber einer Sportmarke­ting-agentur. „Er wird aber die ganze Woche für Wacker zur Verfügung stehen“, so Kleofas.

Seinen größten sportliche­n Erfolg feierte Gaudino mit dem Gewinn des deutschen Meistertit­els mit dem VFB Stuttgart 1992. Weiterhin spielte der Sohn italienisc­her Einwandere­r unter anderem für Waldhof Mannheim, Eintracht Frankfurt, Manchester City, Club America/ Mexiko, Basel, Bochum und Antalyaspo­r. Zuletzt arbeitete er beim SSV Reutlingen.

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Bei den deutschen Meistersch­aften in Kassel gibt Julian Reus (Mitte) über  Meter Sven Knipphals (l.) und Roy Schmidt das Nachsehen. Fotos: S. Hoppe,dpa
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