Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Scheinsieg der Demokratie
Knut Pries über das Gezerre um das Ceta-abkommen
Brüssel hat klein beigegeben: Ceta muss durch den parlamentarischen Multi-tüv. Drei Dutzend nationale Volksvertretungen verschiedener Ebenen werden zusätzlich befragt. Eine Schlappe für den Freihandel, ein Sieg für die Demokratie? Wenn es so einfach wäre.
Ob aus Ceta jemals ein rechtskräftiger Vertrag wird und wann, steht in den Sternen. Das gescheiterte Referendum, bei dem die Niederländer – Europas Handelsnation par excellence – den Kooperationsvertrag mit der Ukraine ablehnten, hat einen Vorgeschmack gegeben. Schon hat ein belgisches Regionalparlament Widerstand gegen Ceta angekündigt.
An der Oberfläche ist es das Scheitern von Kommissionschef Juncker und seiner Handelskommissarin Malmström. Noch auf dem jüngsten Eu-gipfel nannte Juncker Ceta einen erstklassigen Deal. Den könne man im europäischen Verfahren in Kraft setzen, ohne förmliche Mitentscheidung der nationalen Parlamente Vizekanzler Gabriel fand das „unglaublich töricht“.
Nun haben die Regierungen, Berlin vorneweg, Juncker zum Beidrehen gezwungen. Das hat seinen Preis, und der geht über das persönliche Renommee des angeschlagenen Luxemburgers hinaus.
Die politische Auseinandersetzung über Fluch und Segen von Handelsabkommen hat mittlerweile eine derartige Wucht entwickelt, besonders in Deutschland und Österreich, dass sie jedes Verständnis für europäische Spielregeln und ihre Einhaltung hinwegzuspülen droht. Daran kann eigentlich auch Angela Merkel nicht gelegen sein. Jetzt hat sie es in Kauf genommen.