Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
„Bienen mögen blaue Blüten“
Von wegen Ruhestand: 60 000 Bienen halten im Sommer den 73-jährigen Imker Reinhard Kummer auf Trab
Als Kind dachte ich, Imker seien verschleierte Männer mit einer rauchenden Pfeife, die besonders mutig seien und sich nicht vor den Bienenstichen fürchten. Durch ihren Mut wären sie in der Lage, den Bienen den Honig wegzunehmen und zu verkaufen. Ich hielt Imker für sehr raue Gesellen.
Im Laufe meines Lebens sind mir Imker begegnet, die mich eines Besseren belehrt haben. So auch Reinhard Kummer aus Kleinroda, der zu dem Imkerverein Wiehe und Umgebung gehört.
Der 73-jährige pensionierte Lehrer betreibt die Imkerei seit seinem 13. Lebensjahr. Sein Vater, der als Förster die Imkerei betrieb, hatte dem Jungen schon sehr früh beigebracht, wie man ein Bienenvolk zu betreuen hatte.
Was mit übertragener Pflicht begann, entwickelte sich beim jungen Erwachsenen zu echtem Interesse. Schon als Lehramtsstudent für Mathematik und Physik schlug sein Herz für die Natur. Vor der Wende engagierte er sich mit Gleichgesinnten für den Erhalt der natürlichen Umwelt.
Ende der Siebzigerjahre hatte er, gemeinsam mit einem Freund, einen Wanderwagen mit Bienenvölkern, die sie jeweils dort platzierten, wo in Blüten Nektar zu finden war: in Obstwiesen, Rapsfeldern oder bei Robinienbäumen. Das Umsetzen des Bienenwagens in den frühen Morgenstunden ließ sich jedoch schwer mit den Lehrerberuf kombinieren.
Der Honigverkauf war auch zu DDR Zeiten ein Nebenverdienst, der jedoch zum Zeitaufwand für die Imkerei relativ gering war. Es ist eine Hobby, eine Passion, die sich nicht rechnet. Heute hat Reinhard Kummer eine Standimkerei in seinem Garten, wo er Bienenvölker an drei verschiedenen Plätzen untergebracht hat.
Die Frage für mich ist, was muss ein Imker tun, wenn er Honig ernten will. Kummer erklärt mir sein Bienenjahr, das unerwarteter Weise im August anfängt, wenn die Honigernte vorüber ist. Die Hauptaufgabe besteht in der Betreuung der Bienenvölker während des gesamten Jahres, damit es zu einer optimalen Entwicklung des Bienenvolkes kommt. Von August bis Februar/märz braucht ein Volk Ruhe und Nahrung. Da die Honigvorräte entnommen wurden, muss der Imker im Winter mit Zuckerlösung füttern.
Im Sommer hat ein Volk etwa 60 000 Bienen, im Winter nur noch rund 30 000 Bienen. Im Herbst kann sich ein Bienenvolk bis auf 80 Prozent reduzieren. Die aktiven Sommerbienen leben etwa fünf bis sechs Wochen. Die Winterbienen leben sechs bis sieben Monate.
Die verbleibenden Bienen müssen gesund erhalten werden. Das heißt, die Varroa Milbe muss mit organischen Säuren bekämpft werden. Dies verlangt besonders viel Erfahrung. Denn wird zu viel Säure zur Verdampfung ausgelegt, sterben nicht nur die Milben, sondern auch die Bienen. Die Gesunderhaltung der Bienenvölker ist eine wirkliche Herausforderung für jeden Imker.
Während die Bienen im Winter ruhen, muss der Imker noch neue Rähmchen bauen, die leeren Bienenkästen reinigen und Wachs gewinnen und regelmäßig kontrollieren, ob auch genügend Futter vorhanden ist.
Im Februar oder März findet am erst warmen Tag im Frühling der Reinigungsflug der Bienen statt. Wenn die Weiden blühen, beginnen die Bienen wieder Nektar zu sammeln und die Völker beginnen zu wachsen. Jetzt müssen die Bienenstöcke von dem Imker vergrößert werden.
Im Mai und im Juni ist dann die intensivste Zeit für den Imker. Bienenschwärme müssen wieder eingefangen werden. Die Königinnenzucht und die Honigernte beginnen. Der Imker lebt mit den Bienen. Urlaub gibt es im Sommer eigentlich nicht, das heiße, der Rentner Kummer ist immer im Einsatz.
Imker Kummer kennt seine Bienen, aber sie kennen ihn nicht. Bienen leben völlig frei und lassen sich nicht manipulieren. Sie sind keine Haustiere, sondern eher uralte Insekten, die schon vieles überlebt haben, vor denen man Respekt hat.
Die Ernte des Imkers – der Honig – steht natürlich zentral. Guter Honig lässt sich auch gut vermarkten. Wenn Reinhard Kummer in Weimar auf dem Markt steht, hat er viele treue Kunden, die gern den Preis für guten Imkerhonig bezahlen. Der 73-Jährige ist aber immer noch ehrgeizig und nimmt an Honigwettbewerben teil. Schon viele Goldmedaillen vom Landesverband der Thüringer Imker zieren ihn. Da seine Bienen im Garten stehen, ist der Geschmack des Honigs auch nicht einseitig ausgerichtet. Frühjahrsund Sommertracht ergeben einen Honig aus dem Nektar, den Zigtausende von Bienen aus vielen verschiedenen Blüten zusammengetragen haben. Bienen fühlen sich besonders angezogen von blauen und gelben Blüten. Sie bevorzugen auch Obstbaumblüten, Linden, Robinien und Raps.
Auf die Frage, ob Reinhard Kummer irgendwann kein Imker mehr sein möchte, antwortet er eindeutig: „Als Imker hat man lebenslänglich. Damit stoppt man nicht, sondern reduziert allenfalls die zu betreuenden Völker.“Jeder eng mit der Natur verbundene Mensch mit einem Garten könnte Hobbyimker werden, wenn er nicht allergisch auf Bienengift reagiert.
Pflege der Bienen braucht viel Erfahrung
Für seinen Honig erntete er viele Goldmedaillen