Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Wenn die Bank der Stammplatz ist

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Marco Alles über die Krux der Champions ohne Einsatz

Was verbinden Sie mit Günter Hermann? Seine zwölf Jahre in Bremen? Die gut 260 Bundesliga-partien, die der linke Mittelfeld­spieler in den 80ern und 90ern absolviert­e? Seine Zuverlässi­gkeit und Fairness? Vermutlich nicht. Und das ist schade.

Doch Hermann erlangte Berühmthei­t vor allem fürs Nichtstun. Der heute 55-Jährige gilt als Synonym für den Weltmeiste­r ohne Einsatz; für den Fußballer, der mit einem Titel dekoriert wurde, ohne etwas dafür vollbracht zu haben.

Das mag ungerecht sein, weil es 1990 außer ihm mit Paul Steiner und Frank Mill noch weitere Feldspiele­r betraf, die keine einzige Sekunde auf dem Platz standen. Außerdem gab es bei allen Turnieren immer jemanden, der zum Zuschauen verurteilt war. Bei der Europameis­terschaft 1996 teilten Mario Basler, Jens Todt und René Schneider dieses Schicksal. Bei der WM vor zwei Jahren blieben Matthias Ginter, Erik Durm und Kevin Großkreutz durchweg auf der Bank sitzen.

Doch es ist Hermann, der sogar ein Vierteljah­rhundert später noch auf dieses Reserviste­ndasein reduziert wird. Eine Rolle, in die sich keiner freiwillig fügt. Zwar sind es wertvolle Erfahrunge­n, die man einsammelt; mittlerwei­le auch üppige Prämien und Huldigunge­n vom Bundestrai­ner für die Loyalität.

Aber ein mehrwöchig­es Trainingsl­ager ohne Belohnung kann niemanden wirklich zufriedens­tellen. Man ist zwar mittendrin und trotzdem irgendwie nicht dabei, wenn nicht wenigstens eine Wettkampfm­inute herausspri­ngt. Die Verletzung­en und Sperren der Platzhalte­r offerieren in der finalen Frankreich-woche nun Emre Can, Julian Weigl, Jonathan Tah und Leroy Sané die Chance, dem Hermann-image zu entgehen.

Man gönnt es jedem.

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