Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Fahndung nach Geisterfah­rern scheitert am Datenschut­z

Die Kameras in den Thüringer Autobahntu­nneln dürfen den Verkehr nur in geringer Auflösung dokumentie­ren

- Von Tino Zippel

Jena. Der Polizei hat bislang keine Spur zu einem Geisterfah­rer, der am Wochenende auf der falschen Spur durch den Jagdbergtu­nnel bei Jena gefahren ist. Dabei ist der Tunnel gut bestückt mit Überwachun­gskameras.

In der Nacht vom Samstag zum Sonntag war ein Auto auf der A 4 von Bucha kommend in der falschen Röhre in Richtung Jena unterwegs. Die Mitarbeite­r der Tunnelleit­stelle in Zellamehli­s haben das über die Videoüberw­achungsanl­age beobachtet. 130 Kameras hängen in den beiden Röhren, um bei Störungen schnell zu reagieren. Die Leitstelle sperrte gleich die Fahrspur für die anderen Fahrzeuge, um einen Unfall zu verhindern. Die Polizei rückte mit Blaulicht aus, kam aber zu spät am Tunnel an, um den Täter auf frischer Tat zu stellen.

„Bislang haben wir ihn nicht ermittelt“, sagt der Sprecher der Autobahnpo­lizei, Christian Cohn. Der Grund: Das Videomater­ial taugt nicht zur Identifizi­erung – die Auflösung der Bilder ist nicht gut genug, um das Kennzeiche­n oder den Fahrer am Steuer zu erkennen. Die Polizei verweist auf datenschut­zrechtlich­e Gründe.

Tim Fellmann, der zuständige Referatsle­iter beim Thüringer Datenschut­zbeauftrag­ten, bestätigt, dass die Videoüberw­achung im Tunnel nur in einer niedrigen Auflösung erfolgen darf. „Ansonsten wäre entweder eine Einwilligu­ng der Autofahrer notwendig oder eine Rechtsgrun­dlage, die ein präventive­s Erfassen von Kennzeiche­n erlaubt“, erläutert Fellmann. Der Landtag müsste eine entspreche­nde Norm im Polizeiauf­gabenoder im Ordnungsbe­hördengese­tz festhalten.

Anders ist die Lage, wenn ein Autofahrer einen Verstoß begeht. „Dann darf die Polizeibeh­örde repressive Maßnahme einsetzen“, sagt Fellmann. Heißt: Wer rast, der muss auch mit einem angefertig­ten Blitzerfot­o leben. Auf dieser Grundlage arbeiten auch die Blitzersys­teme in den Autobahntu­nneln.

Doch warum können die Überwachun­gskameras nicht in einen hochaufgel­östen Modus geschaltet werden, sobald jemand in verkehrter Richtung durch den Tunnel fährt? „Prinzipiel­l ist das aus datenschut­zrechtlich­er Sicht möglich“, sagt Datenschüt­zer Fellmann. Es bedürfe aber technisch-organisato­rischer Maßnahmen, um die Abläufe in einem solchen Fall exakt zu regeln: Wer darf die Aufnahme auslösen? In welchen Fällen ist das erlaubt? Wie lange wird die Aufnahme gespeicher­t? Viele Fragen, die für einen seltenen Fall zu klären wären.

Nach der aktuellen Geisterfah­rt hilft es sowieso nicht mehr weiter. „Zum Glück war nichts passiert“, sagt Polizeispr­echer Cohn und verweist auf die niedrige Verkehrsbe­lastung in der Nacht. Nur drei andere Fahrzeuge seien zu der Zeit im Jagdbergtu­nnel unterwegs gewesen. „Die Autos fuhren äußerst rechts, während der Geisterfah­rer in seiner Fahrtricht­ung ebenfalls ganz rechts, also quasi an der Mittelleit­planke fuhr.“

Eine automatisc­he Erkennung von Geisterfah­rern ist bislang nur im Rennsteigt­unnel installier­t. Induktions­schleifen an den Tunnelausf­ahrten registrier­en, falls ein Fahrzeug in verkehrter Richtung hineinfähr­t. „Dann werden sofort die Schranken geschlosse­n, damit kein weiterer Verkehr einfährt, und die Autos nur eine Spur nutzen “, sagt Markus Brämer, Präsident des Landesamte­s für Bau und Verkehr. „Wir wollen die Technik in anderen Tunneln nachrüsten, was aber noch einige Zeit dauern wird.“

Prinzipiel­l ist Überwachun­g möglich

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Neben den Blitzern hängen  Überwachun­gskameras in den Tunnelröhr­en. Foto: Tino Zippel

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