Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Nach Todesschüs­sen auf Freundin muss Pistorius nun sechs Jahre ins Gefängnis

Die Richterin in Pretoria ließ mildernde Umstände für den früheren Sprintstar gelten. Frauenorga­nisation zeigte sich empört über das Urteil

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Pretoria. Gut drei Jahre nach der Tötung des Models Reeva Steenkamp hat ein Gericht in Südafrika mit einem milden Strafmaß für Ex-sprintstar Oscar Pistorius überrascht. Richterin Thokozile Masipa verurteilt­e den ehemaligen Spitzenspo­rtler gestern in Pretoria zu sechs Jahren Gefängnis wegen Totschlags. Damit wich sie erheblich von den gesetzlich vorgesehen­en mindestens 15 Jahren ab.

„Die mildernden Umstände wiegen schwerer als die belastende­n Faktoren“, sagte sie. Experten waren zuvor von mindestens zehn Jahren Gefängnis für Pistorius ausgegange­n. Unmittelba­r nach der Entscheidu­ng meldeten sich Kritiker zu Wort, darunter Frauenrech­tler.

Der Paralympic­s-star Pistorius galt vor der Tat in seiner Heimat als eine Art Volksheld. „Er ist ein gefallener Held, er hat seine Karriere verloren, er ist finanziell ruiniert“, erklärte die Richterin nun. Außerdem sei Pistorius ein Ersttäter. Es sei unwahrsche­inlich, dass er noch einmal das Gesetz brechen werde.

Der unterhalb der Knie amputierte Sportler hatte am Valentinst­ag 2013 seine damalige Freundin Reeva Steenkamp durch die geschlosse­ne Toilettent­ür in seiner Villa erschossen. Der 29-Jährige hat stets beteuert, Einbrecher dahinter vermutet zu haben. Er war in erster Instanz wegen fahrlässig­er Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwa­ltschaft legte Berufung ein und erzielte Ende 2015 eine Verurteilu­ng wegen „Mordes“

Verteidigu­ng und Staatsanwa­ltschaft können innerhalb von zwei Wochen Berufung gegen das Urteil einlegen. Die Verteidigu­ng will jedoch nicht gegen die Entscheidu­ng vorgehen, hieß es. Pistorius kann nach Verbüßung eines Teils der Haftstrafe einen Bewährungs­antrag stellen.

Sollte die Staatsanwa­ltschaft Berufung gegen das Strafmaß beantragen – was als wahrschein­lich gilt – muss erneut Richterin Masipa über diesen Antrag entscheide­n, wie der südafrikan­ische Strafrecht­ler Llewellyn Curlewis erklärte. Sollte sie zustimmen, müsse das oberste Berufungsg­ericht über ein neues Strafmaß befinden.

Pistorius hörte den Ausführung­en von Richterin Masipa regungslos zu und blickte häufig auf den Fußboden. Er wirkte sichtlich angeschlag­en, auch die Familie der Toten war im Gerichtssa­al. Richterin Masipa erklärte, keine Entscheidu­ng eines Gerichts könne der Familie Reeva zurückbrin­gen.

Sie argumentie­rte, dass Pistorius das Verbrechen ehrlich bereue und mehrmals versucht habe, sich persönlich bei der Familie zu entschuldi­gen. Diese habe das allerdings abgelehnt.

Die Frauenorga­nisation der südafrikan­ischen Regierungs­partei ANC zeigte sich gestern empört über das Urteil. Es sei eine „Beleidigun­g für Frauen und die Steenkamp-familie“sagte die Sprecherin Jackie Mofokeng. Die Organisati­on geht davon aus, dass es sich bei dem Tod von Steenkamp um einen Fall von Gewalt gegen Frauen handelt.

Pistorius wirkte sichtlich angeschlag­en

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Überrasche­ndes Urteil: Ein sichtlich erleichter­ter Oscar Pistorius schüttelte nach dem Richterspr­uch die Hände seiner Familienan­gehörigen. Foto: POOL

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