Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Lauinger verletzte seine Neutralitä­tspflicht als Minister

Verfassung­sgericht zeigte einem weiteren Mitglied des rot-rot-grünen Kabinetts die Grenzen der Meinungsäu­ßerung auf

- Von Elmar Otto

Weimar. Dieter Lauinger (Grüne) erwähnte die AFD mit keinem Wort. Dennoch war eindeutig, wen der Justizmini­ster meinte, als er am Vortag des 21. Oktober 2015 – an dem Tag hatten die Rechtspopu­listen eine Demonstrat­ion in Erfurt angemeldet – in seiner Pressemitt­eilung schrieb: „Die angebliche­n Biedermänn­er haben sich durch fremdenfei­ndliche Hetze und Rassismus entlarvt – für beides aber ist kein Platz in unserer Gesellscha­ft und auf unseren Straßen.“Auch soziale und wirtschaft­liche Themen würden verkehrt und missbrauch­t, warnte er, um Hass gegen Menschen aus anderen Ländern zu schüren. „Diese Stimmung“, so Lauinger wörtlich, „führt direkt weiter zu brennenden Flüchtling­sunterkünf­ten.“Der Minister forderte deshalb die Bürger auf, genau zu prüfen, ob sie sich für die Ziele der Demo-anmelder einspannen lassen wollten. Die AFD zog wegen der Sätze Lauingers vor den Verfassung­sgerichtsh­of in Weimar und bekam Recht. Der Grüne habe, weil er sich als Minister äußerte, seine Neutralitä­tspflicht verletzt. Er habe gegen die im Grundgeset­z verankerte Chancengle­ichheit im politische­n Wettbewerb verstoßen. Denn anders als zum Beispiel der Bundespräs­ident „stehen Regierungs­mitglieder im unmittelba­ren politische­n Wettbewerb mit den Vertretern der Opposition­sparteien“, so Gerichtspr­äsident Manfred Aschke. Durch seine Warnung vor der Teilnahme an der Kundgebung habe der Minister zudem in die in der Landesverf­assung festgeschr­iebene Versammlun­gsfreiheit eingegriff­en.

Damit haben die obersten Thüringer Richter nach Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) und der ehemaligen Sozialund heutigen Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) einem weiteren Kabinettsm­itglied die Grenzen der Meinungsäu­ßerung aufgezeigt. Doch so klar die Begründung aus Weimar auch war, so wenig scheint sie im koalitionä­ren Lager auf Widerhall zu stoßen.

Grünen-landesspre­cher Rainer Wernicke sagte: „Es ist richtig und wichtig, dass die Landesregi­erung gegenüber rassistisc­her Hetze deutlich Stellung nimmt.“Seine Partei begrüße, dass Lauinger „immer klar und eindeutig gegen Fremdenfei­ndlichkeit und für ein mitmenschl­iches Thüringen eintritt“.

Die Linke-fraktion unterstütz­e die rot-rot-grüne Regierung in ihrem Engagement, alle Wege der Öffentlich­keitsarbei­t zu nutzen, um eindeutig Position zu beziehen gegen Rassismus, Menschenfe­indlichkei­t, Antisemiti­smus und die Diskrimini­erung von Minderheit­en. „Das ist auch Inhalt des Koalitions­vertrages“, betonte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer, André Blechschmi­dt.

Dass sich Vertreter der Koalition erneut uneinsicht­ig zeigten, stieß bei Cdu-justizpoli­tiker Manfred Scherer auf Unverständ­nis: „Für Regierunge­n zählen Verfassung, Recht und Gesetz. Koalitions­verträge sind nichts von alledem, sondern schlicht politische Willensbek­undungen.“

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Thüringens Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne). Archiv-foto: M. Schutt, dpa

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