Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Sport frei, Frau von Stein!

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Michael Helbing wünscht sich Körperkult­ur am Kulturort

Das ist mehr als eine gängige Metapher: zu sagen, Weimars Stadtoberh­aupt habe 2008 den Verkauf des Hauses der Frau von Stein gegen alle Widerständ­e durchgebox­t. Es ist ein Sprachbild in der Tradition des Hauses.

Viele werden das gewusst haben, zumal als Kinder der Kulturstad­t Ich wusste das nicht. Dabei sitze ich an der Quelle, will sagen, Tür an Tür mit einem Kollegen, der in dem kulturhist­orisch nicht ganz unbedeuten­den Gebäude der Körperkult­ur mit Blut, Schweiß und vielleicht auch Tränen zu frönen pflegte.

Im Erdgeschos­s, wo einst die Pferde der herzoglich­en Husaren wohnten, später Gesellscha­ften abgehalten wurden, hatte er teil am Boxtrainin­g der Betriebssp­ortgruppe Dynamo. Das Haus beherbergt­e eine Turnhalle auch für den Schulsport, mit Reck, Sprossenwa­nd und was dergleiche­n mehr ist.

Das erregte niemanden, was am real existieren­den Sozialismu­s gelegen haben mag. Als ein spanischer Investor aber Café, Gästezimme­r und Dalí-museum dort einzuricht­en vorgab, war das Kulturbürg­ergeschrei groß.

Acht Jahre ist‘s her und seitdem zu wenig geschehen am Haus. Für seine Dalí-werke, stellte sich heraus, besitzt der Herr kein Ausstellun­gsrecht.

Da wäre eine Turnhalle eine reelle Alternativ­e. Der Sport, der sich in der Kulturstad­t stets benachteil­igt fühlt, könnte endlich mal punkten – und einen Kulturort (wieder) besetzen. Rudolstadt. Heute Abend ab 21 Uhr startet mit dem Konzert von Element of Crime im Heinepark das viertägige Rudolstadt-festival. Auf 20 Bühnen wird es bis Sonntag Abend 300 Auftritte geben. Damit zum Festivalst­art alles steht, hübsch aussieht und funktionie­rt, waren seit Montag 195 Helfer mit dem Bühnenaufb­au und der Bühnenbetr­euung beschäftig­t. Allein der Aufbau der großen Bühne auf dem Rudolstädt­er Markt nahm zehn Stunden Arbeitszei­t in Anspruch.

Mit dem Caravan haben sich vergangene Woche schon die ersten Festival-gäste auf der Bleichwies­e die besten Stellplätz­e gesichert und ihr kleines Lager aufgeschla­gen. Aber auch einige Künstler sind bereits seit Sonntag in der Stadt und proben für das Programm „Arche Noah Reloaded“. Am Samstag, 9. Juli,um 22 Uhr wird das Multiethni­cal um Migration und Vertreibun­g auf der Heidecksbu­rg aufgeführt. Diese Eigenprodu­ktion des Festivals wird mit Künstlern aus Burkina Faso, Deutschlan­d, der Slowakei und Syrien bestritten – nach einem Buch von Petra Paschinger, die auch Regie führt.

Insgesamt werden über 1000 Künstler erwartet, die zwischen Jena, Rudolstadt und Schwarzbur­g untergebra­cht sind. Die weiteste Anreise dürfte Hermeto Pascoal aus São Paulo in Brasilien hinter sich haben, wenn er am Sonntag, 19.30 Uhr, auf der Konzertbüh­ne im Heinepark in die Tasten haut. Übrigens darf das Publikum auch diesmal gespannt sein, was der 80-jährige „Magier der brasiliani­schen Musik“aus dem Ärmel zaubert,

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