Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Ein Blick hinter die Biathlon-kulissen
Ex-biathletin Kati Wilhelm macht sich für den Nachwuchs stark. Zu ihrem „Kati-camp“kamen nun die Besten Deutschlands nach Oberhof
Oberhof. Sie heißt Lisbeth. Lisbeth ist groß, schwer und sie ist grün. Und doch weist nur ein kleines blasses Etikett auf den Frauennamen hin, den die Schleifmaschine der deutschen Biathleten trägt.
Ein Lächeln überzieht Hannah Möllers Gesicht, als sie das Schildchen entdeckt. Warum das Gerät ausgerechnet Lisbeth heißt, will die Nachwuchsbiathletin des Luisenthaler SV wissen. „Vielleicht ist das ja die heimliche Liebschaft des Schleifers“, erklärt Andreas Emslander, Cheftechniker des Deutschen Skiverbandes, trocken. Nun lächeln auch er und die übrigen 16 jugendlichen Biathleten, die mit in der Schleifhalle der Oberhofer Kaserne stehen.
Hier im Technologiezentrum des DSV werden alle Skier der deutschen Wintersportler geschliffen, gewachst und zur Perfektion gebracht – von Erik Lesser, Miriam Gössner und Co. – und früher eben auch von Kati Wilhelm. Wegen der dreimaligen Olympiasiegerin sind die Jugendlichen heute schließlich hier. Mit ihrem langjährigen Förderer Knauf hat sie 17 Nachwuchstalente aus sechs Landesverbänden zum „Kati-camp“eingeladen. „Ich wollte ihnen einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen“, sagt Wilhelm und beobachtet aus ein paar Metern Entfernung ihre Schützlinge. Sie strahlt dabei zufrieden.
Ziel des mittlerweile vierten Camps, sagt Wilhelm dann, sei es, dem Biathlon-nachwuchs den Rücken zu stärken. Sie zu motivieren. Kati Wilhelms Haare sind nicht mehr ganz so feuerrot wie zu aktiver Zeit, ihre Leidenschaft für den Sport brennt aber noch immer. „Zu den großen Erfolgen im Leistungssport ist es noch ein langer Weg. Ich möchte den Jugendlichen deshalb zeigen, dass es sich lohnt ihn zu gehen. Es werden Hoffnungen in sie gesetzt.“
Die 14- bis 16-jährigen Mädchen und Jungen sind die Jahrgangsbesten in ihren jeweiligen Bundesländern. Für Kati Wilhelm ist das Camp daher auch eine Art Belohnung für die Mühen der Jugendlichen. Denn gerade jetzt sei eine schwierige Zeit für sie, sagt die ehemalige Weltklassebiathletin. Gemeint ist nicht nur die Pubertät. „Dieses Alter markiert den Sprung vom Luftgewehr auf Kleinkaliber. Da prasselt schon einiges auf sie ein“, sagt Wilhelm. Auch der 15-jährige Jonas Glöckner, der für den WSC Oberwiesental startet, kann das bestätigen: „Die Kleinkaliber drücken schon mehr.“Und zuvor hätten die Gewehre immer an den Schießständen gelegen. „Nun müssen wir sie die kompletten Rennen mittragen“, sagt er.
Cheftechniker Andreas Emslander führt die Jugendlichen derweil weiter in den Dsvwachstruck. Normalerweise zischt der 400-Ps-riese zwischen Chanty-masijsk und Antholz durch den Weltcupwinter. Techniker bügeln hier unter Absauganlagen die Hightechwachse auf und präparieren alles für die Wettkämpfe. Heute steht der Lkw aber ruhig in der Oberhofer Sommersonne. An eines von zwölf Rollregalen gelehnt, erklärt Emslander, dass im Winter darin die Skier der Stars aufbewahrt würden. Er zeigt auf die Namenschilder. „Vielleicht steht euer Name in ein paar Jahren auf dem Schrank. Wir brauchen euch“, sagt er.
Doch wollen die Jugendlichen das überhaupt – eine Zukunft im professionellen Biathlon? „Ja, das wäre schon mein Wunsch“, sagt Hannah Möller, „Und einmal bei Olympia dabei sein“. Sie sieht sich als Sportgymnasiastin in Oberhof und Siegerin in der Gesamtwertung des deutschlandweiten Gesamtcups auf
Alle Skier der Stars in Oberhof präpariert
einem guten Weg dahin. Dennoch wolle sie auch weiterhin Spaß daran haben, sagt sie. Auch Jonas Glöckner von der Eliteschule des Wintersports in Oberwiesenthal träumt von mehr, bleibt aber realistisch: „Da muss viel passen. Ich will so gut werden, wie es geht. Die Gesundheit muss schon mitspielen“, sagt der 15-Jährige reflektiert. Auf die Frage, ob sie den nächsten Olympioniken schon in der Runde entdeckt habe, wehrt Kati Wilhelm ab. „Es kann noch so viel passieren und nicht jeder kann Weltklassebiathlet werden.“
Johan Werner aus der Nähe von Rosenheim plant daher schon etwas weiter. „Nee, eher nicht“, sagt er über Olympia. „Ich will doch später Architekt werden“, erklärt er.
Und dennoch fährt er täglich bis Ruhpolding, trainiert in der Freizeit auch zu Hause und schießt, wann immer es geht. Nach den ungläubigen Blicken über seine Äußerung zu Olympia grinst er. „Ich mache weiter, solange es mir Freude macht. Und so weit ich komme.“Zur Not dann also doch bis zu Olympia. Vielleicht so wie Juliane Frühwirt: Sie war Teilnehmerin im ersten Kati-camp. Im vergangenen Winter holte sie dann bei den Olympischen Jugendspielen in Lillehammer Gold im Sprint. Am Abend kommt auch sie ins Kati-camp und ihre Medaille stiehlt dann sogar der Schleifmaschine Lisbeth die Show.