Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Mit Konkurrenz auf Augenhöhe
Axel Lukacsek
Die Zeit bei seiner Frau und dem zwei Jahre alten Sohn ist knapp bemessen. Schon morgen reist Radprofi John Degenkolb weiter nach Belgien, wo am Wochenende die nächsten Bewährungsproben anstehen. Längst aber weiß der gebürtige Geraer die Stunden mit seiner Familie genauso zu schätzen wie die Hatz im Rennsattel.
Vor einem Jahr schließlich war gar nicht klar, in welcher Verfassung er denn nun in das Renngeschehen zurückkehren würde. Ein paar Wochen zuvor hatte ihn eine Autofahrerin bei einer Trainingsfahrt einfach über den Haufen gefahren und schwer verletzt.
Insofern ist der siebente Platz für John Degenkolb beim Klassiker Mailand-sanremo mehr als nur eine gute Platzierung. Dass er beim ersten Frühjahrsklassiker der Saison den stärksten Konkurrenten auf Augenhöhe begegnet ist, war die endgültige Bestätigung, dass der Thüringer den schlimmen Unfall gewiss nicht vergessen, aber auf jeden Fall verarbeitet und für sich seine Lehren gezogen hat.
Degenkolb arbeitet professioneller denn je. Nach seiner langen Zwangspause vor Jahresfrist hat er gelernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und: Schließlich weiß er ja auch, dass er nicht jünger wird.
Ob er tatsächlich nach dem schwersten Jahr seiner Karriere schon auf dem richtigen Weg ist, wird sich spätestens beim Klassiker Paris-roubaix am 9. April zeigen, den er ja 2015 gewinnen konnte. Bei der Dubai-tour im Februar hat Degenkolb bereits eine Etappe gewonnen. Aber das große Ziel ist ja die Tour de France. Denn bei allen Erfolgen fehlt ihm noch die Krönung – ein Etappensieg beim berühmtesten Radrennen der Welt.