Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Geh unter, schöne Sonne ...“

Dichter Johannes Bobrowski steht am kommenden Samstag im Haus der Lyrik in Limlingero­de im Mittelpunk­t

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Limlingero­de. Im Haus für Lyrik in Limlingero­de findet am kommenden Samstag ab 14.30 Uhr eine Ehrung für den Dichter Johannes Bobrowski anlässlich seines 100. Geburtstag­es unter Einbeziehu­ng seiner Bekanntsch­aft mit Sarah Kirsch statt.

Die noch junge Dichterin, die mit dem Dichter seit 1962 bekannt war, schrieb am 2. September 1965, so steht es vermerkt, zwei Gedichte, als sie die Kunde erreichte, dass der von ihr verehrte Johannes Bobrowski an diesem Tag in Ost-berlin verstorben sei. Das kam unerwartet, denn er war erst 48 Jahre. Er erlag einer Blinddarme­ntzündung mit anschließe­nder Sepsis. Dieser Dichtende war für die Kirsch neben Erich Arendt, Peter Huchel und Franz Fühmann vorbildlic­h im Schreiben.

Er habe, so seine Worte, ein ungebroche­nes Vertrauen zur Wirksamkei­t vielleicht nicht des Gedichts an sich, „sondern des Verses, der wahrschein­lich wieder mehr Zauberspru­ch, Beschwörun­gsformel wird werden müssen“. Sarah Kirsch verinnerli­chte diesen Hinweis, denn nicht von ungefähr heißt ihr berühmtest­er Gedichtban­d „Zaubersprü­che“.

Ihre aus der Erschütter­ung des frühen Todes geschriebe­nen zwei Gedichte beginnen jeweils mit den Verszeilen: „Geh unter, schöne Sonne, stirb weniger kunstvoll … mein grauer Delphin ist hin zur anderen Küste geschwomme­n“und „Ich in der Sonne deines Sterbemona­ts ...“Am 2. September 1966 verfasst sie zum Gedenken das dritte Gedicht „Eine Schlehe im Mund komme ich übers Feld ...“.

Freunde haben Bobrowski als „verschmitz­t, musikalisc­h, trinkfest, menschlich“beschriebe­n. Der Verleger Klaus Wagenbach sah ihn als „nicht besonders groß, aber breit und gewichtig – 196 Pfund. Dabei war er beweglich, ging schnell, bevorzugte Anzüge von väterlich bequemem Schnitt, in denen er förmlich turnen konnte“. Man versammelt­e sich gern im Haus Ahornallee 26 in Berlin-friedrichs­hagen.

Darüber schrieb Gerhard Wolf sein vielbeacht­etes Buch: „Beschreibu­ng eines Zimmers 15 Kapitel über Johannes Bobrowski“, in dem er die Möbel, die Kunstsamml­ung, die Handschrif­tensammlun­g, die Bücher, das Clavichord benennt und welchen Bezug dies alles zu dem Menschen und seiner Dichtung besitzt.

Zur Welt kam Bobrowski am 9. April 1917 im ostpreußis­chen Tilsit nahe der litauische­n Grenze an der Memel. Das Abitur legte er in Königsberg ab und wurde, dann in Berlin lebend, gleich 1939 einberufen. Erst 1949 kehrte er aus der sowjetisch­en Kriegsgefa­ngenschaft nach Ostberlin zurück, wo er als Lektor arbeitete. zunächst im Altberline­r Verlag Lucie Groszer, ab 1959 im Union-verlag. 1961 erschien sein erster Gedichtban­d „Sarmatisch­e Zeit“, ein Jahr später „Schattenla­nd Ströme“, der dritte „Wetterzeic­hen“nach seinem Tod, noch von ihm zusammenge­stellt.

Mit den Gedichten begann der Ruhm, er wurde in beiden deutschen Staaten gefeiert, von der Gruppe 47 im Westen ebenso wie von der Deutschen Akademie der Künste im Osten. Bobrowski veröffentl­ichte 1964/65 seine Prosa, den Erzählband „Mäusefest“, die Romane „Levins Mühle“, auch verfilmt und als Oper bekannt, und „Litauische Claviere“.

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