Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Barrierefreiheit muss sich verbessern
Die Junge Union des Landkreises Nordhausen lädt zur Podiumsdiskussion in die Kantine von Schachtbau ein
Chris Schröder, Kreisvorsitzender der Jungen Union, schreibt:
Die dritte Start-up-veranstaltung der jungen Union fand am Samstagabend in der Kantine von Schachtbau statt. Thema der Podiumsdiskussion an diesem Abend war: Wie barrierefrei und behindertengerecht ist unsere Gesellschaft? Barrierefreiheit betrifft jeden – ob mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl. Diese These konnte in der Podiumsdiskussion unter Beweis gestellt werden.
Eröffnet wurde der Abend vom stellvertretenden Kreisvorsitzenden der Jungen Union, Tobias Ostmann. Mit einer kurzen Einführung in den Abend wurden die Gäste begrüßt und die Podiumsgäste vorgestellt. Teilnehmer im Podium waren Carina Schmidt vom Nordthüringer Unternehmerverband, Tilly Pape, Leiterin der Nordthüringer Lebenshilfe, Christoph Zyrus als Allgemeinmediziner und Chris Schröder, Kreisvorsitzender der JU und Pfleger. Hauptgast im Podium war die 23-jährige Denise Marko. Sie ist bekannt aus der Ard-verfilmung „Contergan“und ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Bambi.
Um Denise Marko vorzustellen, bediente sich Tobias Ostmann eines Films. Vor der Veranstaltung erfolgte mit Denise Marko ein Rundgang durch die Nordhäuser Innenstadt. Hier wurde getestet, wie barrierefrei Nordhausen wirklich ist. Auch der Ju-kreisvorsitzende Chris Schröder nahm mit einem Rollator teil, um selbst einen Eindruck zu gewinnen.
Um das Thema abzurunden, wurde auch mit einem Kinderbuggy die Familientauglichkeit beleuchtet. Fazit des Rundganges: Es ist nicht leicht, sich mit Hilfsmitteln in der Innenstadt zu bewegen. Gerade der Gang durch die Altstadt mit all den Stufen und dem Kopfsteinpflaster war nicht ganz einfach, so Denise Marko. Immer wieder stoße man an technische Grenzen, die es kaum möglich machten, ohne fremde Hilfe zurechtzukommen.
Eröffnet wurde die Podiumsdiskussion mit der Frage, wo sich Besserungen ergeben sollten. Tilly Pape berichtete, dass es schon bei der Erreichbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel losgeht und dass es zu einem Vorfall gekommen sei, bei dem ein Fahrgast im Rollstuhl sitzend auf den Gleisen der HSB nicht beachtet wurde, obwohl die dafür zur Verfügung gestellten Hilfsmittel (ausklappbare Rampe in der Bahn) vorhanden waren. Aber an wichtigster Stelle stehen ein barrierefreies Denken und das Thema der Aufklärung der Gesellschaft. Denn die Gesellschaft, so Pape, müsse im Kopf wachgerüttelt werden.
Ein weiterer Themenschwerpunkt in der Diskussionsrunde war die Beschäftigung von behinderten Menschen. Hier gab es reichlich Diskussionsstoff zwischen Tilly Pape und Carina Schmidt. Letztere gab zu verstehen, „dass sie ein guten Trend erkenne, dass Arbeitgeber bemüht sind, die vorgeschriebene zu besetzende Quote von Menschen mit Behinderung zu erfüllen“.
Nach Ansicht von Tilly Pape tun sich manche Arbeitgeber aber schwer mit der Einstellung von schwerbehinderten Arbeitnehmern. „Gründe dafür sind oft die Aussagen, dass sie diese nicht mehr beziehungsweise nur schwer kündigen können, wenn die Arbeitsanforderungen nicht geleistet werden könnten. Das Gesetz legt dabei oft Steine in den Weg und geht oft an der Praxis vorbei. So ist es zum Beispiel schwierig für einen Mitarbeiter, der zuvor in der Werkstatt der Nordhäuser Lebenshilfe beschäftigt war und an den Anforderungen im normalen Betriebsbereich scheitert, wieder zurück in die Werkstatt zu kommen.“Dies sei mit einem enormen Bürokratie-aufwand und einer langen Wartezeit verbunden. „Die Lebenshilfe hat begonnen Außenarbeitsplätze einzurichten. Derjenige wird dann zwar in einem Betrieb beschäftigt, gehört aber weiterhin zur Werkstatt“, führte die Leiterin der Lebenshilfe aus. Es würden auch noch viele Unternehmen nachziehen und sich entsprechend anpassen, denn der Konkurrenzkampf untereinander wird nicht weniger.
Des Weiteren wurde über barrierefreie Gebäude und barrierefreies Wohnen diskutiert und analysiert. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum es in den meisten Gebäuden immer Treppen oder eine Stufe geben muss. Ein ebener Eingang wäre für viele Menschen mit Behinderung viel besser“, sagte Denise Marko. Auch Tilly Pape hält das Umdenken der Wohnungs- und Hausbaugesellschaften für dringend notwendig. So müsse beim Neu- oder Umbau unbedingt auf mehr Barrierefreiheit geachtet werden.
Zum Ende der Diskussionsrunde einigten sich Chris Schröder, Tilly Pape und Carina Schmidt auf ein gemeinsames Versprechen. Die Junge Union wird sich die Zeit für einen Besuch in der Nordthüringer Lebenshilfe nehmen und gemeinsam mit Tilly Pape die Themen aufnehmen und konkretisieren. Des Weiteren wird mit Carina Schmidt ein gemeinsames Gespräch gesucht, um auch genaue Maßnahmen zu benennen.
Hier sollen alle gewonnenen Kenntnisse des Samstages und dringenden Handlungsbedarfe sowie die Thematik der Aufklärung nochmals besprochen werden. In einem Antrag zum Julandestag im August wollen dann alle gemeinsam die Thematik präsentieren. Um den Zuhörern einen Beleg zu liefern, dass dieses Vorhaben auch tatsächlich in die Tat umgesetzt wurde, soll ein entsprechender Presseartikel erscheinen.
Tilly Pape wollte zum Schluss der Podiumsrunde nochmals darauf hinweisen, „dass das barrierefreie Denken enorm wichtig ist. Das fängt schon bei der bürgerlich-gemeinsamen Unterstützung an. Barrierefreiheit nutzt allen: Menschen mit und ohne Behinderung, Senioren, Kindern, Eltern und Menschen, die nur vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. So hilft ein Aufzug Eltern mit Kinderwagen sowie alten und gehbehinderten Menschen gleichermaßen. Barrierefreiheit geht Menschen ohne Behinderung auch deswegen an, weil sie irgendwann womöglich selbst auf gut zugängliche Gebäude angewiesen sind“.
Tobias Ostmann bedankte sich recht herzlich bei seinen Podiumsgästen und überreichte als Dankeschön kleine Geschenke.