Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Fischer-art kommt nach Bleicherode
Leipziger Künstler soll alten Spänesilo auf dem früheren Gelände der Harzer Stielwerke bemalen. Über seine Ideen spricht die TA mit ihm
Bleicherode. In Leipzig kommt man an Michael Fischer-art nicht vorbei. Mehrstöckige Häuser, etwa direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, hat er mit seiner Kunst förmlich übersät. Nun will der Künstler auch im Südharz aktiv werden. Im Visier hat er unter anderem einen alten Spänesilo. Er ist das einzige Relikt der Harzer Stielwerke und soll inmitten eines neuen Wohngebietes erhalten bleiben.
Wie fanden Sie nach Bleicherode?
Vor einigen Monaten gab es die Ausstellung „Kunst im Keller“im Kunsthaus Meyenburg. Ich stellte einige meiner Fassadenkunstwerke vor, und am Rande kam ich mit dem Bleicheröder Bürgermeister ins Gespräch.
Nun wollen Sie Ihre Kunst am Bau auch nach Bleicherode bringen. Ist Ihnen die Stadt zu wenig bunt?
Es ist eine wunderschöne Stadt, in den Fachwerkstraßen liegt Potenzial. Aber auf dem Feld, speziell an diesem alten Spänesilo, könnte die Stadt ruhig etwas Farbe vertragen. Sichtbeton, dieser Bauhaus-wahn, ist nicht das, was der Mensch braucht. Die Menschen sind nicht dafür gemacht, auf eine graue Wand zu schauen. Ich bin mir sicher: Wenn auf diesem Gelände erst einmal ein Hingucker da ist, erschließt sich der Raum selbst, ziehen auch Leute dorthin.
Was haben Sie vor?
Ich sehe es als meinen Auftrag an, jeden Quadratmeter Sichtbeton zu gestalten. Das mache ich seit 20 Jahren in vielen Städten, mein erstes Objekt war der neue Hörsaal an der Dresdner Universität: 2500 Quadratmeter waren es. Jetzt geht es etwa um ein Zehntel dieser Fläche.
Wie gehen Sie mit diesem „leeren Blatt“in der Landschaft um? Wird sich auch die Stadt selbst widerspiegeln?
Es gibt einen groben Entwurf. Danach greife ich das frühere Sägewerk wie die Wohngebietsidee auf, lasse aus einer Maschine wie einst Sägespäne ganze Familien und Häuser purzeln. Sie bringen Leben auf die brache Fläche.
Aber diese grundsätzliche Entwurfsidee ist das eine. Wenn ich auf dem Gerüst stehe, nehme ich natürlich auch auf, was um mich herum passiert und setze es um.
Mit welchen Farben arbeiten Sie?
Mit Acrylfarben, das hält mindestens 50 Jahre. Weil diese dafür aber mindestens zwei Stunden trocknen muss, ist die Kunst am Bau ein Saisongeschäft von Mai bis Oktober. Weil ich mich dabei nach dem Wetter richten muss, stand ich auch schon sonntags stundenlang auf dem Gerüst an einem 15-Geschosser in Neubrandenburg. Polizisten hielten mich zunächst für einen illegalen Graffiti-sprayer. Aber diese Kids haben doch gar nicht die Zeit wie ich für Grundierung, Trocknungsphasen, erneuten Farbauftrag.
Der Künstler
Michael Fischer-art, 1969 in Leipzig geboren, ist seit 1997 freischaffend, nachdem er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert hatte. Er bemalte unzählige große Gebäude, darunter 2016 das Seehotel Templin mit einer 12 400 Quadratmeter großen Fassade, einen Elfgeschosser in Neubrandenburg und das Kulturhaus Leipzig im Ural. Ein Deckengemälde schuf er im Leipziger Westbad.
Sie haben auch schon als Maurer und Maler gearbeitet. Inwiefern nützt das dem Künstler Fischer-art?
Ich kann ein Kreuzgewölbe ohne Schalung mauern, ja. Das Handwerk nützt mir sehr: Ich weiß die Oberflächen einzuschätzen, weiß, wo Wasser eindringen könnte. Das Wissen macht dich einfach schneller.
Wann ist es in Bleicherode so weit?
Ich denke, im Herbst, andernfalls nächstes Frühjahr.
Haben Sie weitere Objekte in Bleicherode im Blick?
Ja, es gibt da noch die eine oder andere Idee. Wobei es schwieriger ist, in eine Fachwerkstraße ein bunten Haus reinzuarbeiten. Vielleicht müsste dann eher im Ziel des Klassizismus gearbeitet werden. Die Stadt gefällt mir auf jeden Fall, ich habe nur coole Menschen kennengelernt: Menschen, die nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern sich durchschlagen, Ideen entwickeln, etwas aus der Stadt machen. Das finde ich toll!
Noch eine persönliche Frage: Ist Ihr Nachname Kunst – oder der natürliche seit Geburt?
Fischer-art gibt es seit 1988 als Kunstnamen. So steht es auch in Pass und Ausweis. Alles läuft unter diesem Namen.
Einen Überblick über Fischerarts Werke gibt‘s hier: www.fischer-art.de