Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Seehofers erste Bewährungsprobe
Bremer Asyl-affäre belastet den Bundesinnenminister. Kommt ein Untersuchungsausschuss?
Deren frühere Leiterin soll dazu beigetragen haben, dass mindestens 1200 Asylbewerber womöglich zu Unrecht Schutz erhielten.
„Die Vorgänge im Bamf sind nun der Anlass, aber nicht der einzige Gegenstand: Die Flüchtlingspolitik muss von 2014 an untersucht werden, um Verschwörungstheoretikern die Berlin. An einem dieser warmen Nachmittage im Mai ist das sowjetische Ehrenmal im Berliner Treptower Park gut besucht. Der viele Beton und die Steinplatten wirken stumpf und trocken. Neben jungen Russen, italienischen und französischen Touristen sitzen Adalina und Manfred etwas abseits auf einer Mauer. Sie lebt in Berlin, er in Nauen. Versonnen schaut dieses adrette ältere Pärchen auf die Anlage, die ein riesiger Friedhof ist. 7000 russische Soldaten, die an der letzten großen Schlacht des Zweiten Weltkriegs in Europa teilgenommen haben, sind hier begraben.
Adalina Lindner ist gebürtige Russin und Manfred Burow Deutscher. Sie haben gerade ein Date, ihr zweites. Das Paar steht stellvertretend für das kriselnde Verhältnis zwischen Deutschland und Russland, für die Diskrepanz zwischen den gewünschten guten Beziehungen der Deutschen zu Russland und dem, was die große Politik macht. Die Frau, sie ist 58 Jahre alt, hat den Ort ausgesucht. Sie sagt, „der Ort ist für mich Geschichte und auch ein bisschen Heimat“. Denn ihr Vater gehörte zu den Soldaten, die Berlin befreiten. Ihre Familiengeschichte muss Manfred verstehen und schätzen, wenn es noch ein drittes Date geben soll. Also, eine Fortführung ihrer russisch-deutschen Beziehung.
73 Jahre nach dem Kampf um Berlin sind die politischen deutsch-russischen Beziehungen angespannt. Bundespräsident Steinmeier warnte vor einer „galoppierenden Entfremdung“und fehlenden Vertrauensbasis. Die Bundesregierung Grundlage zu nehmen“, erklärte der Fdp-fraktionsvorsitzende Christian Lindner via Twitter zur Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Für die Einsetzung ist die Unterstützung eines Viertels der Abgeordneten nötig – das wären drei der vier Oppositionsfraktionen. Ob diese vorhanden ist, war zunächst unklar.
„Die Kanzlerin muss jetzt viel besprechen, um den Frieden zu wahren.“Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutschrussischen Forums
Das Paar ist besorgt. Und damit spiegeln sie die Mehrheitsmeinung der Deutschen wider. Denn aktuelle Umfragen haben ergeben, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung eine Besserung der deutsch-russischen Beziehungen wünscht. In einer Forsa-umfrage im Auftrag des Fernsehsenders RTL vom März sind 91 Prozent der Meinung, von Russland gehe keine Gefahr aus. In einer weiteren Forsa-umfrage aus dem April sieht die Mehrheit die Hauptverantwortung für die jüngste Verschärfung zwischen Ost und West nicht bei Russland. Die Hälfte glaubt, die USA seien schuld.
Im Falle des Ex-spions Skripal hatte sich Deutschland auf die Seite Großbritanniens gestellt und Russland verantwortlich gemacht, schließlich vier russische Diplomaten ausgewiesen. Bereits in seiner Antrittsrede Mitte März hatte Außenminister Heiko Maas einen härteren Kurs Russland gegenüber angekündigt. Nach Maas und Wirtschaftsminister Altmaier in der vergangenen Woche reist nun auch Angela Merkel nach Russland, es werde um die Krisen wie Syrien, Iran und die Ostukraine gehen.
Der Russland-experte Stefan Meister kann die Sorge vieler Deutscher erklären. „Diese neueren Umfragen zeigen vor allem ein diffuses Gefühl, welches viele
Der Grünen-abgeordnete Tobias Lindner rief Seehofer im Bundestag zu: „Tun Sie nicht so, als wären Sie der Chef-aufklärer. Was wussten Sie und wann wussten Sie es?“
Seehofer nahm das Bamf gegen den Vorwurf der Unfähigkeit und Vertuschung in Schutz. „Dort wird heute eine gute Arbeit geleistet für unser Land in einem ganz wichtigen Bereich“, sagte er in seiner Parlamentsrede. Es sei falsch, das mögliche Fehlverhalten einiger Mitarbeiter allen Beschäftigten anzulasten. Gleichzeitig trat der Bundesinnenminister dem Vorwurf entgegen, die Aufklärung in dieser Angelegenheit nicht entschieden genug vorangetrieben und eine Mitarbeiterin, die dazu beitragen wollte, strafversetzt zu haben.
Josefa Schmid hatte die Leitung der Bremer Außenstelle im Januar angetreten. Inzwischen musste sie ihren Posten räumen. Obwohl sie sich juristisch gegen ihre Abberufung wehrt, führt die Nürnberger Bamf-zentrale für die Versetzung „Fürsorge“-gründe an. (dpa)