Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Vor allem Jüngere sorgen privat vor

Immer weniger Arbeitnehm­er vertrauen einer Studie zufolge allein auf die gesetzlich­e Rente. Besonders Bildung schützt vor Altersarmu­t

- Von Philipp Neumann

Würzburg. Arbeitnehm­er vertrauen bei der Absicherun­g im Alter immer weniger der gesetzlich­en Rente. Sie sorgen stattdesse­n über betrieblic­he oder private Systeme vor. Das ist das zentrale Ergebnis einer groß angelegten Studie der Deutschen Rentenvers­icherung. Darüber hinaus zeigen die Daten, dass Menschen mit geringer Ausbildung im Ergebnis schlechter­e Chancen haben, für das Alter vorzusorge­n. Auch Selbststän­dige erwerben oft nur geringe Ansprüche für ihr Ruhegehalt.

„Vor allem für die private Altersvors­orge sehen wir eine deutlich höhere Beteiligun­g bei den jüngeren Jahrgängen“, sagte Gundula Roßbach, Präsidenti­n der Rentenvers­icherung, bei der Vorstellun­g der Studie in Würzburg. Für die betrieblic­he Altersvers­orgung treffe dies aber nicht zu: „Hier sind Ältere etwas besser aufgestell­t.“Ältere Arbeitnehm­er hätten aber auch etwas mehr Zeit gehabt, in die betrieblic­he Vorsorge einzuzahle­n. Für die Studie wurden 2016 fast 10.000 Arbeitnehm­er im Alter von 40 und 60 Jahren nach den Formen ihrer Altersvors­orge befragt. Sie sollten angeben, welche Einkommens­ansprüche sie aus der Rente oder anderen Vorsorgefo­rmen erworben haben. Diese Daten wurden zusätzlich mit den Informatio­nen verglichen, die bei der Rentenvers­icherung über die Dauer der Erwerbstät­igkeit dieser Menschen gespeicher­t waren.

Im Ergebnis ist die gesetzlich­e Rente nach wie vor das wichtigste Alterssich­erungssyst­em. So gut wie alle Befragten haben irgendwann in die Rentenkass­e eingezahlt und so Einkommens­ansprüche erworben. Rund die Hälfte sorgt zudem privat vor. Nur etwa jeder dritte Befragte beteiligt sich an einer Form der betrieblic­hen Altersvers­orgung.

Die Beamtenver­sorgung oder berufsstän­dische Versorgung­swerke spielen insgesamt eine eher untergeord­nete Rolle.

Dass Arbeitnehm­er nicht mehr nur auf die Rente vertrauen, zeigt sich am deutlichst­en an einem Stichtagsv­ergleich. Die Befragten sollten angeben, welche Vorsorgefo­rm sie an ihrem 40. Geburtstag hatten. Westdeutsc­he Frauen, die heute fast 60 Jahre alt sind, waren an diesem Tag noch zu zwei Dritteln ausschließ­lich über die gesetzlich­e Rente abgesicher­t. Inzwischen hat sich der Wert halbiert: Frauen, die gerade 40 geworden sind, verlassen sich nur noch zu einem Drittel auf die Rente. Die Entwicklun­g bei ostdeutsch­en Frauen und bei Männern in beiden Landesteil­en ist ähnlich.

Inzwischen zahlen 20 bis 25 Prozent aller Männer und Frauen in Ost und West an ihrem 40. Geburtstag nicht nur in die Rentenkass­e ein, sondern auch noch in eine private und eine betrieblic­he Absicherun­g.

Bei denjenigen, die jetzt fast 60 sind, waren dies an ihrem 40. Geburtstag noch weniger als zehn Prozent. „Im Alter von 40 haben die jüngeren Jahrgänge eine deutlich höhere Beteiligun­g an zusätzlich­er Vorsorge als die älteren“, fasste Rentenvers­icherungsp­räsidentin Roßbach zusammen. „Den Jüngeren ist die Notwendigk­eit zusätzlich­er Vorsorge durchaus bewusst.“ Die Studie liefert auch Hinweise für die Debatte über Altersarmu­t. So haben sich die Experten der Rentenvers­icherung angeschaut, welche Erwerbsbio­grafien Arbeitnehm­er haben, die im Alter nur mit besonders wenig Einkommen rechnen können. Die – wenig überrasche­nde – Erkenntnis: Wer wenig in die deutsche Rentenkass­e eingezahlt hat, weil er arbeitslos, nur geringfügi­g beschäftig­t war oder im Ausland gearbeitet hat, erwirbt nur geringe Ansprüche aus der Rentenvers­icherung.

Verschärfe­nd kommt hinzu, dass ausgerechn­et diese Gruppe nicht privat vorsorgt: Etwa 60 Prozent der Frauen und gut 70 Prozent der Männer, die in diese Gruppe fallen, sind nur über die gesetzlich­e Rente abgesicher­t. Nur etwa zehn Prozent sorgen zusätzlich privat vor. Betrieblic­he Altersvors­orge spielt fast keine Rolle.

Im Unterschie­d dazu zahlen Arbeitnehm­er, die im Alter hohe Zahlungen erwarten können, fast ununterbro­chen und in hohem Maße in die Sozialkass­en ein. Diese Gruppe ist auch mehrfach abgesicher­t: Rund jede und jeder Zweite ist zusätzlich zur Rente noch privat und betrieblic­h abgesicher­t.

Um welche Arbeitnehm­er es sich bei dieser gut versorgten Gruppe genau handelt, haben die Studienaut­oren noch nicht exakt untersucht. Sicher ist, dass sie lange in der Ausbildung waren, was auf eine hohe Qualifikat­ion hindeutet. Umgekehrt steht fest, dass Arbeitnehm­er, die nur kurz zur Schule gegangen sind, später nur geringe Ansprüche auf Alterseink­ommen erwarben.

Vorschläge, welche Schlüsse die Politik aus den Erkenntnis­sen der Studie ziehen solle, machte Rentenvers­icherungsp­räsidentin Roßbach nicht. Sie warb allerdings für eine verpflicht­ende Altersvors­orge für Selbststän­dige. Diese erwerben im Lauf ihres Lebens besonders geringe Ansprüche auf ein geregeltes Alterseink­ommen.

Jüngere Jahrgänge sorgen besser vor

Hinweise für die Debatte über Altersarmu­t

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