Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Vor allem Jüngere sorgen privat vor
Immer weniger Arbeitnehmer vertrauen einer Studie zufolge allein auf die gesetzliche Rente. Besonders Bildung schützt vor Altersarmut
Würzburg. Arbeitnehmer vertrauen bei der Absicherung im Alter immer weniger der gesetzlichen Rente. Sie sorgen stattdessen über betriebliche oder private Systeme vor. Das ist das zentrale Ergebnis einer groß angelegten Studie der Deutschen Rentenversicherung. Darüber hinaus zeigen die Daten, dass Menschen mit geringer Ausbildung im Ergebnis schlechtere Chancen haben, für das Alter vorzusorgen. Auch Selbstständige erwerben oft nur geringe Ansprüche für ihr Ruhegehalt.
„Vor allem für die private Altersvorsorge sehen wir eine deutlich höhere Beteiligung bei den jüngeren Jahrgängen“, sagte Gundula Roßbach, Präsidentin der Rentenversicherung, bei der Vorstellung der Studie in Würzburg. Für die betriebliche Altersversorgung treffe dies aber nicht zu: „Hier sind Ältere etwas besser aufgestellt.“Ältere Arbeitnehmer hätten aber auch etwas mehr Zeit gehabt, in die betriebliche Vorsorge einzuzahlen. Für die Studie wurden 2016 fast 10.000 Arbeitnehmer im Alter von 40 und 60 Jahren nach den Formen ihrer Altersvorsorge befragt. Sie sollten angeben, welche Einkommensansprüche sie aus der Rente oder anderen Vorsorgeformen erworben haben. Diese Daten wurden zusätzlich mit den Informationen verglichen, die bei der Rentenversicherung über die Dauer der Erwerbstätigkeit dieser Menschen gespeichert waren.
Im Ergebnis ist die gesetzliche Rente nach wie vor das wichtigste Alterssicherungssystem. So gut wie alle Befragten haben irgendwann in die Rentenkasse eingezahlt und so Einkommensansprüche erworben. Rund die Hälfte sorgt zudem privat vor. Nur etwa jeder dritte Befragte beteiligt sich an einer Form der betrieblichen Altersversorgung.
Die Beamtenversorgung oder berufsständische Versorgungswerke spielen insgesamt eine eher untergeordnete Rolle.
Dass Arbeitnehmer nicht mehr nur auf die Rente vertrauen, zeigt sich am deutlichsten an einem Stichtagsvergleich. Die Befragten sollten angeben, welche Vorsorgeform sie an ihrem 40. Geburtstag hatten. Westdeutsche Frauen, die heute fast 60 Jahre alt sind, waren an diesem Tag noch zu zwei Dritteln ausschließlich über die gesetzliche Rente abgesichert. Inzwischen hat sich der Wert halbiert: Frauen, die gerade 40 geworden sind, verlassen sich nur noch zu einem Drittel auf die Rente. Die Entwicklung bei ostdeutschen Frauen und bei Männern in beiden Landesteilen ist ähnlich.
Inzwischen zahlen 20 bis 25 Prozent aller Männer und Frauen in Ost und West an ihrem 40. Geburtstag nicht nur in die Rentenkasse ein, sondern auch noch in eine private und eine betriebliche Absicherung.
Bei denjenigen, die jetzt fast 60 sind, waren dies an ihrem 40. Geburtstag noch weniger als zehn Prozent. „Im Alter von 40 haben die jüngeren Jahrgänge eine deutlich höhere Beteiligung an zusätzlicher Vorsorge als die älteren“, fasste Rentenversicherungspräsidentin Roßbach zusammen. „Den Jüngeren ist die Notwendigkeit zusätzlicher Vorsorge durchaus bewusst.“ Die Studie liefert auch Hinweise für die Debatte über Altersarmut. So haben sich die Experten der Rentenversicherung angeschaut, welche Erwerbsbiografien Arbeitnehmer haben, die im Alter nur mit besonders wenig Einkommen rechnen können. Die – wenig überraschende – Erkenntnis: Wer wenig in die deutsche Rentenkasse eingezahlt hat, weil er arbeitslos, nur geringfügig beschäftigt war oder im Ausland gearbeitet hat, erwirbt nur geringe Ansprüche aus der Rentenversicherung.
Verschärfend kommt hinzu, dass ausgerechnet diese Gruppe nicht privat vorsorgt: Etwa 60 Prozent der Frauen und gut 70 Prozent der Männer, die in diese Gruppe fallen, sind nur über die gesetzliche Rente abgesichert. Nur etwa zehn Prozent sorgen zusätzlich privat vor. Betriebliche Altersvorsorge spielt fast keine Rolle.
Im Unterschied dazu zahlen Arbeitnehmer, die im Alter hohe Zahlungen erwarten können, fast ununterbrochen und in hohem Maße in die Sozialkassen ein. Diese Gruppe ist auch mehrfach abgesichert: Rund jede und jeder Zweite ist zusätzlich zur Rente noch privat und betrieblich abgesichert.
Um welche Arbeitnehmer es sich bei dieser gut versorgten Gruppe genau handelt, haben die Studienautoren noch nicht exakt untersucht. Sicher ist, dass sie lange in der Ausbildung waren, was auf eine hohe Qualifikation hindeutet. Umgekehrt steht fest, dass Arbeitnehmer, die nur kurz zur Schule gegangen sind, später nur geringe Ansprüche auf Alterseinkommen erwarben.
Vorschläge, welche Schlüsse die Politik aus den Erkenntnissen der Studie ziehen solle, machte Rentenversicherungspräsidentin Roßbach nicht. Sie warb allerdings für eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbstständige. Diese erwerben im Lauf ihres Lebens besonders geringe Ansprüche auf ein geregeltes Alterseinkommen.
Jüngere Jahrgänge sorgen besser vor
Hinweise für die Debatte über Altersarmut