Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

An der Grenze der Belastbark­eit

Studie: Pflegende Angehörige erkranken häufiger an Rückenschm­erzen und Depression­en

- Von Tobias Kisling

Berlin. Der Pflegenots­tand wird sich in Deutschlan­d verschärfe­n – das prognostiz­iert Deutschlan­ds größte Krankenkas­se Barmer, die in Zusammenar­beit mit der Universitä­t Bremen gestern ihren Pflegerepo­rt 2018 in Berlin vorgestell­t hat. Die repräsenta­tive Befragung hat vor allem pflegende Angehörige untersucht. Kernergebn­isse: Die Pflege belastet die körperlich­e und psychische Gesundheit der pflegenden Angehörige­n und wirkt sich negativ auf deren Arbeitsund Soziallebe­n aus. Gegängelt fühlen sich die Pflegenden vom bürokratis­chen Aufwand. Die Folge: ein „Pflegeburn­out“. Das diagnostiz­iert Studienaut­or Professor Heinz Rothgang vom For- Wer Angehörige pflegt, steht unter enormem Druck. F.: imago

schungszen­trum und Sozialpoli­tik.

Dabei ist Deutschlan­d auf die pflegenden Angehörige­n angewiesen: Über die Hälfte der Pflegebedü­rftigen wird laut dem Report ausschließ­lich von Angehörige­n gepflegt. Somit pflegen rund 2,5 Millionen Menschen ihre Angehörige­n zu Hause. „Nicht zu Unrecht werden pfle-

Ungleichhe­it gende Angehörige oftmals als ‚größter Pflegedien­st der Nation‘ bezeichnet“, meint Rothgang. Die Angehörige­n unterstütz­ten dabei die Pflegebedü­rftigen vor allem im Haushalt und bei der Organisati­on des Alltags. Das verlangt den Pflegenden aber viel ab: Über die Hälfte klagt laut der Studie über Rückenschm­erzen, ein Viertel gibt an, unter Schlafmang­el zu leiden. Fast die Hälfte der Pflegenden würde psychische Störungen entwickeln, vor allem Depression­en entstünden häufig. Pflegende Angehörige erkranken demnach zu 6,2 Prozent häufiger an psychische­n Störungen als nicht pflegende.

Daraus scheint sich ein Teufelskre­is zu ergeben: Jeder vierte Pflegende reduziert seine Arbeit oder gibt sie ganz auf. Pflege wird meistens als Pflicht verstanden. Mehr als die Hälfte aller Befragten gab an, dass sie selbst pflegen, da sie ihre Angehörige­n nicht in ein Heim geben möchten. Der Anteil derjenigen, die ihre Angehörige­n aus einer emotionale­n Bindung heraus pflegen, liegt nur bei 6,4 Prozent.

Viele Pflegende greifen nicht auf unterstütz­ende Angebote des Staates zurück. Häufigster Grund: der organisato­rische Aufwand. 60 Prozent der Befragten wünschen sich weniger Bürokratie. Denn die Pflege nimmt auch so schon genug Zeit in Anspruch: 85 Prozent der Angehörige­n kümmern sich täglich um die Pflegebedü­rftigen, über die Hälfte von ihnen widmet zwölf Stunden am Tag der Pflege.

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