Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
„Ein Kahlschlag wäre fatal“
Insolvenzverwalter Volker Reinhardt und Sportdirektor Oliver Bornemann über den weiteren Weg des FC Rot-weiß Erfurt
Erfurt. Hinter dem FC Rot-weiß Erfurt liegen schwere Tage und Wochen. Nur dank einer Finanzspritze durch Investoren musste der Spielbetrieb in der Regionalliga nicht eingestellt werden. So ist die Fortführung bis Neujahr erst einmal gesichert. Insolvenzverwalter Volker Reinhardt und Sportdirektor Oliver Bornemann sprachen im Ta-talk über die schwierige Zeit und wie der Verein für die Zukunft aufgestellt werden soll.
FREUDE
Reinhardt: Wir haben uns natürlich gefreut, dass es bei Rot-weiß weitergeht. Zum Sektkorken knallen lassen ist es noch zu früh. Das holen wir am 30. Juni 2019 nach.
Bornemann: Uns allen ist eine Last abgefallen, weil sich die Spannung, auch durch die Verschiebung der Zeitspanne, zugespitzt hat. Wir haben dann einen Anruf erhalten und das gleich an die Mannschaft nach dem Training weitergegeben. Wir sind alle Berufssportler in diesem Segment, es sind unsere Arbeitsplät- ze, von dem, was wir hier tun. Von daher war das für uns ein wichtiges Signal, dass wir bis zum Jahresende Sicherheit haben.
DIE LETZTEN TAGE Reinhardt: Es war sehr anstrengend, die Verhandlungen waren hart. Wir hätten uns das alle gewünscht, wenn wir im ersten Termin eine Lösung gefunden hätten. Deswegen die Verschiebung auf den Dienstag. Es ist auf jeden Fall spät geworden, bis die Entscheidung gefunden wurde und wir eine Lösung gefunden haben.
RETTER DES RWE
Reinhardt: Darüber ist Stillschweigen vereinbart worden in der Investorengruppe. Ein Mitglied der Runde hat sich mit Ehrenpräsident Klaus Neumann selbst geäußert. Auch wenn es nur eine mündliche Zusage von mir war, halte ich mich an meine Zusage der Verschwiegenheit.
BEDINGUNGEN FÜR GELD Reinhardt: Wir haben uns gemeinsam das Budget angeschaut, was wir jetzt verändert aufgestellt haben für die restliche Saison. Wir haben natürlich auch Maßnahmen besprochen. Bedingungen an sich sind jedenfalls von den Investoren, die zugesagt haben, nicht geknüpft worden.
VERÄNDERUNGEN Reinhardt: Die Planung wurde fortlaufend aktualisiert. Wir wollen nicht nur die Einnahmeseite stärken, sondern auch die Kostenseite kontrollieren und überprüfen, so dass wir aller Voraussicht nach Maßnahmen ergreifen müssen, die die Kostenseite betreffen.
ZUKUNFTSBLICK
Reinhardt: Wir blicken weit voraus, auch über den 30. Juni nächsten Jahres hinweg. Unser Ziel ist, Erfurt nicht nur für diese Saison durch zu finanzieren, sondern auch für die kommende Saison wirtschaftlich auf gesunde Füße zu stellen. Wir haben jetzt durch die Unterstützung der Sponsoren die Möglichkeit erhalten, den Ausgliederungsprozess durchzuführen. Mit diesem Ausgliederungsprozess wird es dann gelingen, die Finanzierung bis zum Ende der Saison darzustellen. Wir kämpfen ganz speziell für diese Mannschaft. Das sind Spieler, die nach Erfurt gekommen sind, weil sie an den Verein und die Perspektive geglaubt haben. Die möchte ich auf keinen Fall enttäuschen.
FRÜHE FINANZLÜCKEN Reinhardt: Die Situation hat sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet. Es ist nicht so, dass man da jetzt überrascht wird. Wir haben im Hintergrund immer wieder versucht, die Einnahmeseite zu stärken, ein neues Marketing aufgestellt. Wir mussten aber feststellen, dass sich im Umfeld von Rot-weiß einige Sponsoren erst mal zurückgehalten haben nach dem Motto: Wir schauen erst einmal, was da passiert. Das erschwert natürlich die Arbeit.
ZU HOHER ETAT?
Reinhardt: An Spekulationen beteilige ich mich nicht und Zahlen habe ich immer unter Verschluss gehalten. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir einen Spieleretat verabschiedet haben, der sich am unteren Mittelfeld der Regionalliga Nordost befindet. Wir haben nicht zu hoch geplant. Im Gegenteil: Es ist erstaunlich, dass wir mit diesem Etat und dieser Mannschaft so großen Erfolg haben. Bornemann: Letztendlich hat man eine Planung, mit der man herangegangen ist. Herr Reinhardt hat sich da auch rückversichern lassen und mit externer Hilfe abgestimmt. Wir sind dann zu dem Schluss gekommen, diesen Kader so in dieser Form auch
Erleichtert: Volker Reinhardt (links) und Oliver Bornemann.
zu verpflichten. Aus der Perspektive war das auch eine richtige Entscheidung. Letztlich konnte man die Menschen aus dem Umfeld nicht so begeistern, wieder die gleiche Summe zu geben.
WINTERTRANSFERS Reinhardt: Wir haben einen Maßnahmenkatalog und können aktuell nicht in die Köpfe der Spieler schauen. Fairness ist aber das oberste Gebot. Wenn jemand unbedingt gehen will, werde ich ihm keine Steine in Die Moderatoren Gerald Müller (links) und Marco Alles (rechts) im Studio mit Volker Reinhardt und Oliver Bornemann (. von rechts).
den Weg legen. Aber ich werde es auch nicht befördern. Es wäre fatal, wenn jetzt ein Kahlschlag beginnen würde. Wir haben ja Ziele vor Augen und können Investoren nur dann begeistern, wenn wir eine tolle Mannschaft haben und erfolgreich sind. Es wird aber eine Verkleinerung geben. Bornemann: Es gibt Spieler, die von sich aus mit der Ist-situation unzufrieden sind, weil sie sich mehr Spielzeit erhofft haben. Von daher glaube ich, wird es sowieso eine natürlich eine Fluktu- ation in der Wintertransferperiode geben.
VERBINDLICHKEITEN Reinhardt: 6,8 Millionen Euro sind an Verbindlichkeiten zur Tabelle angemeldet worden. Das sind Forderungen von Gläubigern, die wir geprüft haben.
EX-PRÄSIDENTEN
Reinhardt: Ich möchte keine Kritik über Personen äußern. Man kann sachlich von einer schwierigen Position sprechen, die wir vorgefunden haben. Es war nicht nur ein Start von 0 auf 100, sondern von minus 50 auf 100, den wir hinlegen mussten. Da macht man sich in der Öffentlichkeit keinen Kopf, was wir hier alles unternommen haben, um den Verein fortzuführen.
PRÄSIDENTENSUCHE Reinhardt: Grundsätzlich ist es Sache des Aufsichtsrates, den Präsidenten zu suchen. Der Aufsichtsrat bestellt auch satzungsmäßig das Präsidium. Hier ist es allerdings so, dass sich der Aufsichtsrat erst kürzlich konstituiert hat und klar zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Präsidium in der Insolvenz keinen Sinn macht, weil die Verfügungsgewalt beim Insolvenzverwalter, also mir, liegt. Ich würde es aber schon begrüßen, wenn es gelänge, jemand neutrales zu finden. Am besten eine Persönlichkeit aus Erfurt oder Thüringen.
AUFSICHTSRAT
Reinhardt: Wir stimmen uns regelmäßig ab. Dr. Steffen Böhm ist ja dort der Vorsitzende. Auch er hat einen schwierigen Job, weil er sich erst hineinfinden muss. Wir sind aber im Dialog.
ENDE DER INSOLVENZ Reinhardt: Ich will sie so kurz wie möglich zu gestalten. 30. Juni 2019, wenn alles glatt läuft.
GLÄUBIGER UND QUOTE Reinhardt: Die ausgehandelte Quote von zwei Prozent war eine Prognose, die ich mit einem Gutachten herausgegeben hatte und bezog sich auf den damaligen Zeitpunkt. Diese Prognose wird sich ändern, das habe ich auch in meinem Gutachten zum Ausdruck gebracht. Fest steht bereits jetzt, dass die Quote nicht sehr hoch sein kann. Beides – mehr Gläubiger oder eine andere Quote – sind möglich. Es können sich ja noch Gläubiger im Nachhinein melden und je nach wirtschaftlichem Verlauf die Quote noch ändern.
AUSGLIEDERUNG
Reinhardt: Sie ist sinnvoll, weil sie ein wirtschaftliches Fundament für den Verein bilden wird. Sie können so Investorengelder einbinden, diese Möglichkeit haben sie vorher nicht. Grundlegend soll die Profimannschaft in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert wird. So können wir den Verein besser aufstellen. Bis zum 30. Juni 2019 soll sie abgeschlossen sein.
MÖGLICHE INVESTOREN Reinhardt: Erst wenn die Tinte trocken ist, werden wir Namen nennen. Investoren haben Interesse daran, stillschweigend die Vereinbarungen zu treffen. Ich habe noch mit keinem chinesischen Partner gesprochen. Ich kann aber sagen, dass wir mit Investoren auf nationaler Ebene am Verhandeln sind. Das sind aber nicht nur regionale, sondern auch überregionale Investoren.