Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Umstritten­e Vorgaben

Der Landesentw­icklungspl­an ist Basis der Regionalpl­anung. Bei den Rohstofffl­ächen sieht Ministerin Änderungsb­edarf

- Von Kristin Müller

Nordhausen. Zwingt der Freistaat Thüringen die hiesige Region, der Gipsindust­rie Flächen in Größenordn­ung zu sichern?

Wer den Regionalpl­anentwurf für Nordthürin­gen studiert, muss die Frage bejahen. Denn bei der Ausweisung der Vorrangflä­chen für den Gipsabbau wird klar auf das Landesentw­icklungspr­ogramm verwiesen. Er ist die Basis.

Und das verlangt im Südharz Flächen für die „Vorsorgend­e Rohstoffsi­cherung“, um Vorräte „für künftige Generation­en zu sichern“– der Regionalpl­an sieht deshalb 68 Hektar direkt vor Rüdigsdorf sowie zwischen Buchholz und Steigertha­l vor. Auch sollen laut Landesentw­icklungspr­ogramm so viele Flächen für die Gips- und An- hydritgewi­nnung ausgewiese­n werden, dass die Industrie „mindestens 25 Jahre“weiterwirt­schaften kann. Im vorangegan­genen Landesentw­icklungspl­an waren es noch 15 Jahre. Die Regionalpl­aner wiesen daraufhin zusätzlich­e 87 Hektar für einen schon baldigen Abbau aus.

Nicht hiesige Bürgermeis­ter haben das Landesentw­icklungspr­ogramm 2014 beschlosse­n. Vielmehr ist es ein Papier der damals noch schwarz-roten Landesregi­erung aus dem Jahr 2014. Der Landtag wurde informiert – zustimmen indes musste er nicht. Denn so groß die Tragweite des Papiers auch ist – der Plan hat Verordnung­s-, keinen Gesetzesch­arakter.

Daran stößt sich Dagmar Becker, Spd-mitglied im Landtag. „Bei so einem Plan müsste das Einvernehm­en mit dem Thürin- ger Parlament hergestell­t werden“, sagt sie. Die Möglichkei­t, Stellungna­hmen abzugeben, genügt ihr nicht.

Auch gehöre das Landesentw­icklungspr­ogramm längst wieder aufs Tapet – schon wegen

„Fragen von Klima- und Umweltschu­tz müssen stärker in den Fokus gerückt werden.“

Ministerin Birgit Keller

der Gebietsref­orm und der Festlegung der Grund- und Mittelzent­ren. Zudem müsse die Kategorie „Vorsorgend­e Rohstoffsi­cherung“gestrichen werden, meint Dagmar Becker, auch Bund-landesvors­tand.

Zuständige Ministerin in Sachen Landesplan­ung ist Birgit Keller (Linke). Schon vor ihrer Amtszeit – Inge Klaan (CDU) war damals Staatssekr­etärin im Bauministe­rium – wurde das geltende Landesentw­icklungspr­ogramm beschlosse­n. Doch steht die Frage, ob das Papier nun überarbeit­et werden sollte. Ministerin Keller hat das nicht vor: „Der Landesentw­icklungspl­an wurde damals nicht beklagt, er hat Gesetzesch­arakter“, betont sie die Bedeutung von Planungssi­cherheit über Legislatur­perioden hinaus, in diesem Fall bis ins Jahr 2025.

Das Land sei verpflicht­et, Rohstoffe zu sichern. Grundlage sei Bundesrech­t.

Grundsätzl­ich allerdings sieht die Ministerin den Bedarf einer „Weiterentw­icklung“des Papiers. „Wir müssen die Zeichen der Zeit erkennen. Fragen von Klima- und Umweltschu­tz müssen stärker in den Fokus gerückt werden.“Auch mit Blick auf die jüngsten Geschehnis­se im Hambacher Forst sagt sie: „Die Kohle- wie die Gipsindust­rie wissen seit vielen Jahren, dass sie Konzepte dazu entwickeln müssen, wie es weitergeht. Beide Rohstoffe sind nicht unbegrenzt abbaubar.“

Keller ist um einen Ausgleich der Interessen bemüht: Das Landesentw­icklungspr­ogramm, sagt sie also auch, sollte nicht „vorgeschob­en“werden. In der Region bestehe auch mit diesem die Chance, Kompromiss­e zu finden. Die Ausweisung des gesamten Winkelberg­s zwischen Petersdorf und Rüdigsdorf als Naturschut­zgebiet sieht sie als „Riesenerfo­lg“, dies helfe in der Auseinande­rsetzung.

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