Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Umstrittene Vorgaben
Der Landesentwicklungsplan ist Basis der Regionalplanung. Bei den Rohstoffflächen sieht Ministerin Änderungsbedarf
Nordhausen. Zwingt der Freistaat Thüringen die hiesige Region, der Gipsindustrie Flächen in Größenordnung zu sichern?
Wer den Regionalplanentwurf für Nordthüringen studiert, muss die Frage bejahen. Denn bei der Ausweisung der Vorrangflächen für den Gipsabbau wird klar auf das Landesentwicklungsprogramm verwiesen. Er ist die Basis.
Und das verlangt im Südharz Flächen für die „Vorsorgende Rohstoffsicherung“, um Vorräte „für künftige Generationen zu sichern“– der Regionalplan sieht deshalb 68 Hektar direkt vor Rüdigsdorf sowie zwischen Buchholz und Steigerthal vor. Auch sollen laut Landesentwicklungsprogramm so viele Flächen für die Gips- und An- hydritgewinnung ausgewiesen werden, dass die Industrie „mindestens 25 Jahre“weiterwirtschaften kann. Im vorangegangenen Landesentwicklungsplan waren es noch 15 Jahre. Die Regionalplaner wiesen daraufhin zusätzliche 87 Hektar für einen schon baldigen Abbau aus.
Nicht hiesige Bürgermeister haben das Landesentwicklungsprogramm 2014 beschlossen. Vielmehr ist es ein Papier der damals noch schwarz-roten Landesregierung aus dem Jahr 2014. Der Landtag wurde informiert – zustimmen indes musste er nicht. Denn so groß die Tragweite des Papiers auch ist – der Plan hat Verordnungs-, keinen Gesetzescharakter.
Daran stößt sich Dagmar Becker, Spd-mitglied im Landtag. „Bei so einem Plan müsste das Einvernehmen mit dem Thürin- ger Parlament hergestellt werden“, sagt sie. Die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben, genügt ihr nicht.
Auch gehöre das Landesentwicklungsprogramm längst wieder aufs Tapet – schon wegen
„Fragen von Klima- und Umweltschutz müssen stärker in den Fokus gerückt werden.“
Ministerin Birgit Keller
der Gebietsreform und der Festlegung der Grund- und Mittelzentren. Zudem müsse die Kategorie „Vorsorgende Rohstoffsicherung“gestrichen werden, meint Dagmar Becker, auch Bund-landesvorstand.
Zuständige Ministerin in Sachen Landesplanung ist Birgit Keller (Linke). Schon vor ihrer Amtszeit – Inge Klaan (CDU) war damals Staatssekretärin im Bauministerium – wurde das geltende Landesentwicklungsprogramm beschlossen. Doch steht die Frage, ob das Papier nun überarbeitet werden sollte. Ministerin Keller hat das nicht vor: „Der Landesentwicklungsplan wurde damals nicht beklagt, er hat Gesetzescharakter“, betont sie die Bedeutung von Planungssicherheit über Legislaturperioden hinaus, in diesem Fall bis ins Jahr 2025.
Das Land sei verpflichtet, Rohstoffe zu sichern. Grundlage sei Bundesrecht.
Grundsätzlich allerdings sieht die Ministerin den Bedarf einer „Weiterentwicklung“des Papiers. „Wir müssen die Zeichen der Zeit erkennen. Fragen von Klima- und Umweltschutz müssen stärker in den Fokus gerückt werden.“Auch mit Blick auf die jüngsten Geschehnisse im Hambacher Forst sagt sie: „Die Kohle- wie die Gipsindustrie wissen seit vielen Jahren, dass sie Konzepte dazu entwickeln müssen, wie es weitergeht. Beide Rohstoffe sind nicht unbegrenzt abbaubar.“
Keller ist um einen Ausgleich der Interessen bemüht: Das Landesentwicklungsprogramm, sagt sie also auch, sollte nicht „vorgeschoben“werden. In der Region bestehe auch mit diesem die Chance, Kompromisse zu finden. Die Ausweisung des gesamten Winkelbergs zwischen Petersdorf und Rüdigsdorf als Naturschutzgebiet sieht sie als „Riesenerfolg“, dies helfe in der Auseinandersetzung.