Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
SPD wendet Personaldebatte ab
Landeschef Tiefensee kassiert beim Parteitag in Arnstadt den Antrag seines Kabinettskollegen Maier. Drei Frauen an die Spitze gewählt
Arnstadt. Der Jubel der SPDDelegierten verklingt schnell. Gerade haben sie Wolfgang Tiefensee mit 89,5 Prozent – hierbei werden die Enthaltungen nicht in die Ergebnisberechnung einbezogen – zum Landesvorsitzenden wiedergewählt. Er steht vor ihnen, verneigt sich tief und macht deutlich: Jetzt gilt es, die Ärmel hochzukrempeln.
Nach ein paar Sekunden StehApplaus widmen sich die Sozialdemokraten also der Arbeit für die Partei. Sie wählen drei Frauen in die Parteispitze (siehe Kasten) und bestimmen insgesamt 18 Beisitzer. Der Appell, der von diesem Landesparteitag ausgehen soll: „Lust auf Zukunft.“Oder anders: Die Sozialdemokraten wollen sich weniger um sich selbst drehen. Lieber soll es um Inhalte gehen. Bildung, Innere Sicherheit, Rente – all das und noch viel mehr findet sich im mehr als 70 Seiten dicken Antragsbuch, das noch einmal um mehrere Initiativanträge ergänzt wird.
Und einer dieser Anträge hat es in sich – und er besitzt das Potenzial, die SPD bundesweit in die nächste Personaldebatte zu stürzen. Gerade, als Bundeschefin Andreas Nahles in Berlin mit 3000 jungen Leuten ein Debattencamp abhält, wird sie im kleinen thüringischen Arnstadt zum Thema. Georg Maier, kurz zuvor als Schatzmeister in den geschäftsführenden Landesvorstand gewählt, fordert die Ablösung des Parteivorstandes. Diese krachende Schlagzeile der „Süddeutschen Zeitung“vom Samstagmorgen hatte bei den Delegierten die Runde gemacht.
Jetzt steht der Thüringer Innenminister am Pult und fühlt sich nach eigenen Worten ein wenig unwohl in seiner Haut. Er bringt dennoch den Antrag ein, der einen vorgezogenen Bundesparteitag und den Rücktritt des gesamten Präsidiums, das er für zu groß hält, fordert – und damit bringt er vor allem SPD-BUN-
desvorstand Christoph Matschie gegen sich auf. „Es muss einen Wettbewerb um Köpfe und Konzepte geben“, fordert Maier und schielt zur CDU, wo die Basis eine Auswahl habe im Dezember, wenn es um die Nachfolge von Merkel geht. Auch die Grünen, sagt Maier, hätten vorgemacht, wie es bei der Neubesetzung der Parteispitze gehen könnte. Davon solle die SPD lernen. Ausdrücklich sagt Maier, dass sich alle jetzigen Präsidiumsmitglieder ja auch wieder neu bewerben könnten.
Thüringens Innenminister scheitert mit seinem Antrag nicht vollständig, muss sich aber harte Worte vom vormaligen Thüringer Bildungsminister Christoph Matschie anhören. Der fordert, dass endlich
Schluss damit sein müsse, dass Kreis- oder Landes-spd immer die Schuld bei der Bundes-spd suchen. „Es gibt eine SPD und die muss zusammenstehen“, ruft er kämpferisch. Carsten Schnei-
der, der erste Parlamentarische Geschäftsführer, appelliert moderater. „Gebt uns den Spielraum, diese Entscheidung treffen zu können, wenn sie notwendig ist.“
Aber Maier hat auch Fürsprecher im Rund, darunter die Thüringer Jusos, die ohnehin das Ausstiegsszenario aus der Großen Koalition einfordern. Landeschef Wolfgang Tiefensee ver-
folgt die Debatte aufmerksam – und ihm gelingt es am Ende auch, einen Kompromiss zu finden, der seinen Kabinettskollegen Maier nicht düpiert dastehen lässt. Tiefensee beantragt
die Überweisung in den Landesvorstand für eine abschließende Meinungsbildung. Das Gremium, in dem auch Maier sitzt, will in seiner ersten ordentlichen Sitzung darüber beraten.
Für die SPD geht es mit großen Schritten in Richtung Landtagswahl. Personalquerelen hat sie am Wochenende in Arnstadt tunlichst vermieden – und stattdessen inhaltliche Akzente gesetzt. Gebührenfreie Horte, eine Offensive für die Gemeinschaftsschulen und die Streichung des Extremismusbegriffs aus dem einstimmig verabschiedeten Leitantrag sind nur einige Beispiele. Auffällig aber war: Ein Drittel der Anträge stellten die Jusos, die damit ein deutliches inhaltliches Zeichen setzen konnten.