Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Verkorkst, wieder einmal

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Man kann vom thüringisc­hen Innenminis­ter Maier ja halten, was man will. Als gewiss dürfen jedoch zwei Dinge gelten. Für einen Politiker sagt er, freiwillig oder nicht, ungewöhnli­ch oft, was er gerade so denkt. Als notorische­r Betrachter seiner selbst kann er nicht anders.

Auf dem Landespart­eitag seiner SPD forderte er am Samstag mal eben das Großreinem­achen in der Bundespart­eispitze. Und er verlangte per Antrag einen Sonderpart­eitag, um das verdiente Ende der eingeschru­mpften Groko einleiten zu können.

Nun lässt sich aus Arnstadt vieles in Berlin wohlfeil einklagen. Gleichwohl ist es richtig, zumal aus hiesiger Sicht.

Die Thüringer Sozialdemo­kraten müssen schon froh sein, dass sie Umfragen auf Höhe ihres Rekordminu­sergebniss­es von 2014 verorten. Dabei ahnen sie, dass es, falls sich die Agonie in Berlin fortsetzt, im nächsten Jahre deutlich schlimmer kommen könnte.

Maier spürt dies besonders, weil er zur Sorte Gefühlspol­itiker gehört, und weil er als vormaliger Banker das ist, was man einen Seiteneins­teiger nennt. Wer bis knapp 50 wenig bis nichts mit dem politische­n Betrieb zu tun hatte, stellt die Binnenlogi­k, die mit dem wahren Leben oft wenig zu tun hat, noch ab und an infrage.

Zum Beispiel in der vorigen Woche. Der Landtag stritt gar bitterlich darüber, wer Präsident werden sollte, da schummelte der Minister folgenden Satz ins Internet: „Die taktischen Manöver, die jetzt bei der Nachbesetz­ung stattfinde­n, tragen meines Erachtens nicht zur Verbesseru­ng des Ansehens der Politik bei.“

Auch das war ein echter Maierbrüll­er: Wohlfeil, aber richtig. Allerdings, als ihn die ersten Klagen von Genossen erreichten, löschte der Minister den Eintrag wieder. Er habe gelernt, sagte er auf Nachfrage, dass er als Regierungs­mitglied nicht von der Seite das Parlament anschimpfe­n sollte.

Mag sein. Doch über das, was dieses Parlament ablieferte, lässt sich nur schimpfen, und zwar mit jedem Recht. Martin Debes ist Chefreport­er der Thüringer Allgemeine­n

Wer so mit dem höchsten Amt des Landes umgeht, gehört abgemaiert.

Fast alle Beteiligte­n zeigten ihre schlechtes­ten Eigenschaf­ten vor. Es begann, auch wenn dies jetzt wieder bei bestimmten Lesern bestimmte Vorteile über den Kolumniste­n erfüllt, mit dem Landes- und Fraktionsv­orsitzende­n der CDU. Anstatt dass Mike Mohring in der eigenen 34-köpfigen Fraktion nach einem Kandidaten suchte, um und ihn dann vertrauens­voll mit den Koalitionä­ren zu besprechen, plante er, Birgit Diezel zur Landtagspr­äsidentin zu machen.

Nun lässt sich der Frau, die dereinst das Amt zur allgemeine­n Zufriedenh­eit ausfüllte, die Eignung kaum absprechen. Leider nur sitzt sie gar nicht im Landtag, sondern langweilt sich seit Jahr und Tag auf dem ersten Platz der Cdu-nachrücker­liste. Das heißt, ein Unionsabge­ordneter müsste auf seinen Platz verzichten – und dies, so dachte es sich Mohring fein aus, sollte der ausgeschie­dene Landtagspr­äsident Christian Carius sein.

Was aber der CDU-CHEF, dem in seinem halben Leben Politik der Außenblick abhanden kam, nicht einkalkuli­erten: Draußen, im wahren Leben, hätte diese Beförderun­g seiner Parteistel­lvertreter­in wie dreistes Postengesc­hacher ausgesehen.

Carius machte da nicht mit – weniger, um Mohring vor einem Fehler zu bewahren, sondern ihn zu ärgern. Er, der ohne Absprache und mit verboge- nen Argumenten das Präsidente­namt hingeworfe­n hatte, hielt vorerst an seinem Mandat fest, um dem Plan seines alten Parteifein­ds zu torpediere­n.

Aber Mohring, so ist er eben, hatte da leider immer noch nicht austaktier­t. Er schlug den armen Michael Heym vor, obwohl der Fraktionsv­ize für Rot-rot-grün aus begrenzt nachvollzi­ehbaren Gründen als zu rechts gilt – und deshalb zu dem halben Dutzend Cdu-abgeordnet­en gehörte, der auf der Unwählbark­eitsliste der Regierungs­fraktionen stand.

Doch Mohring glaubte, dass (Variante A) noch ein paar Sozialdemo­kraten umkippen könnten oder er (Variante B) ein Scheitern der ach so undemokrat­ischen Koalition anlasten könnte. Offenbar bedachte er jedoch kaum Variante C, bei der ein nur dank AFD gewählter Landtagspr­äsident die Cdu-bundesspit­ze provoziert hätte, in die er gerade drängt.

Das Einzige, was ihm half, war der unprofessi­onelle Auftritt der Koalition. Erst forderten die Grünen, dass alles total gemeinsam rot-rot-grün entschiede­n werden müsse, nur um als erste allein ihr unreflekti­ertes „Nein!“zu Heym herauszusc­hreien.

Die Spd-fraktion entblödete sich nicht, den Mohrings geheimen DiezelPlan öffentlich zu ihrem eigenen zu machen – und den direkt gewählten Abgeordnet­en Carius mehr als nur indirekt aufzuforde­rn, den Landtag ganz fix zu verlassen. Selten hat man eine derart offene Missachtun­g des freien Mandats beobachten müssen.

Vergleichs­weise disziplini­ert handelte bloß die Linke, deren Chefin Susanne Hennig-wellsow Machtpolit­ik kann. Sie kommunizie­rte klar, intern wie extern, und wunderte sich ansonsten über Mohring und ihre Koalitions­kollegen. Nachdem Heym nun durchgefal­len ist, was eine peinliche bundesdeut­sche Premiere darstellt, wird sie es hoffentlic­h sein, die diese prekäre Angelegenh­eit in die Hand nimmt.

Denn, und jetzt wird es auch wohlfeil, aber richtig: Die Männer haben es wieder einmal verkorkst.

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