Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Die Wild-spezialisten
Matthias Kaiser testet für die Leser der TA Restaurants entlang des Rennsteigs. Heute: Elkes Jägerstube in Neuhaus am Rennweg
BSWildbret aus dem Thüringer Wald
Wie gut ist der Rennsteig? Oder noch besser gefragt: Wie gut kann ich rasten und essen auf dem Rennsteig? Im Auftrag der Thüringer Allgemeinen macht sich einmal im Monat Restauranttester Matthias Kaiser auf den Weg und prüft die Gastronomie auf Herz und Nieren. Da er den Rennsteig schon einmal vor mehr als zehn Jahren abgegangen ist, kann Kaiser auch vergleichen: Hat sich was verändert oder vielleicht verbessert? evor ich Sie mit weiteren Einblicken in die Bewirtungskultur auf dem Rennsteig ermutigen möchte, vielleicht selbst einmal wieder die Wanderstiefel zu schnüren, erlauben Sie mir bitte ein Wort in eigener Sache: Regelmäßig interessiert es Leser, nach welchen Kriterien wir die Testobjekte auf unserer diesjährigen Tour ausgesucht haben.
Eine Frage, die schnell beantwortet ist: Um Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen, halten wir uns, mit wenigen Ausnahmen – denken Sie beispielsweise an unseren Zwischenstopp im Neuhäuser Gasthof „Hirsch“– an jene Route, die wir schon 2006 abgelaufen sind. Das birgt natürlich die Gefahr, dass wir inzwischen neu eröffnete beziehungsweise rekonstruierte Objekte links liegen lassen. Deshalb bin ich immer für Ihre Tipps dankbar, bitte aber händeringend um positive Beispiele, denn nur vom gastronomischen Elend am Rennsteig zu berichten, macht auf Dauer derart depressiv, dass man die Einmaligkeit dieser wunderbaren Kulturlandschaft aus den Augen verliert.
o richteten wir unsere Schritte nach dem Besuch der Neuhäuser Rennsteigbaude auch in diesem Jahr wieder in Richtung Limbach. Mit uns wanderte das gute Gefühl, dass die Rennsteigbaude – nicht zuletzt durch das leidenschaftliche Engagement und das Stehvermögen des Wirtes – eine Chance hat, als eines der wenigen Gasthäuser auf dem Rennsteig wirtschaftlich zu bestehen. Was meine von unzähligen weniger erfreulichen Erlebnissen geschwächte Seele vor Freude schon ein wenig zum Schwingen brachte.
Bis zu unserem heutigen Tagesziel, „Elke’s Jägerstube“in Limbach, wartete nicht nur eine rund acht Kilometer lange Weg- strecke auf uns, sondern auch ein unvergleichlicher Naturgenuss. Immerhin führte uns diese Etappe – nur mit einem geringfügigen Umweg – an jenem nur rund 30 Minuten vom Startpunkt entfernten Aussichtspunkt vorbei, der auf jeder Rennsteig-karte als Weidmannsheil eingezeichnet ist.diese grandiose Aussicht in der Nähe des 849 Meter hohen Rollkopfes wurde übrigens gemeinsam mit einer Schutzhütte im Juni 1889 eingeweiht. Der Panoramablick auf Limbach, Scheibe-alsbach und den Alsba- che r Stausee, den wir auf unserer ersten Tour von dort oben genossen hatten, begeisterte uns damals derart, dass wir noch Jahre danach von diesem Ausflug schwärmten.
Und natürlich waren wir ge-
Die Wirtsleute Elke und Heinz Kleinteich spannt, ob der zum Zeitpunkt unserer ersten Test-tour vom Thüringerwald-verein Neuhaus gepflegte Aussichtspunkt noch immer im selben tadellosen Zustand zum Verweilen einlädt wie vor zwölf Jahren.
Oder hatte sich auch dieses Denkmal aus der Blütezeit der Rennsteigverehrung in jene Reihe von idyllischen Plätzchen eingereiht, die nicht mehr gepflegt werden und sich deshalb in einem bedauernswerten Zustand befinden?
Was in erster Linie daher rührt, dass die für die Erhaltung notwendigen Mittel fehlen . . . oder fehlgeleitet werden. Wiederholt wurden wir mit solchen Schandflecken auf unserer Tour konfrontiert und irgendwann begannen wir ernsthaft darüber zu diskutieren, ob es nicht möglich wäre, für die Schüler an Thüringer Schulen als Ergänzung zum Heimatkundeunterricht jährlich ein Rennsteig-pflege-camp als Pflichttermin einzuführen.
Doch all unsere Befürchtungen lösten sich in Wohlgefallen auf, und wir genossen erneut den fantastischen Blick auf den Thüringer Wald. Nichts hatte sich geändert. Alles präsentierte sich gepflegt und die Schutzhütte war sogar saniert worden.
Aus tiefstem Herzen dankte ich den fleißigen Mitgliedern des Thüringerwald-vereins aus Neuhaus am Rennweg!
Meine Seele jubelte!
Die wenigen Kilometer bis zu „Elke’s Jägerstube“in Limbach vergingen wie im Flug. Da ich in den vergangenen Jahren mehrfach bei den Wirtsleuten Kleinteich eingekehrt war, war ich mir bewusst, dass unser heutiger Besuch in einer bitteren Erkenntnis enden würde. Die Zeichen standen auf Sturm! Dass ich mich indes trotzdem dieser heiklen Situation stellte, war dem großen Respekt geschuldet, den ich den beiden Wirtsleuten zollte.
Doch der Reihe nach:
Bei unserem ersten Besuch lernten wir „Elke’s Jägerstube“als kleines, beschauliches Gasthaus mit Pension kennen und schätzen, in dem die namensgebende Patronin rund um die Uhr ihre Schlaf- und Wandergäste mit einer derart liebevollen Hingabe umsorgte, dass ich ihr scherzhaft den Titel „Florence Nightingale des Rennsteigs“verliehen habe.
An den Wochenenden unterstützte sie ihr Ehemann Heinz, der hauptberuflich einen 40Tonner „über die Chausseen Europas bugsierte“, wie er es humorvoll ausdrückte. Beide feierten damals gerade das 25. Gründungsjahr ihres Unternehmens.
Obwohl das Anwesen den Charme eines biederen FDGBFerienheims verströmt – was vordergründig der in Beton gegossenen Behindertenrampe im Eingangsbereich geschuldet ist, die mehr an eine ZuckerrübenVerladestation erinnert, als an das gefällige Entree einer fröhlichen Einkehr, fühlten wir uns pudelwohl.
Sowohl die winzige im Gelsenkirchener Barock gestaltete Gaststube, als auch die brav eingerichteten Gästezimmer und Ferienwohnungen waren picobello sauber.
Das Highlight des Hauses ist nicht die Einrichtung, sondern eindeutig das Wirtsehepaar.
Allein, mit welchem Feingefühl die gebürtige Mecklenburgerin Elke die Thüringer Küche beherrscht, ist sehens- und schmeckenswert.
Ihre Spezialität ist bis heute die Zubereitung von Wildgerichten.
„Und Wild hat der Heinz immer organisiert. Schon zu DDRZeiten“, klärte sie mich stolz über die marketenderischen Fähigkeiten ihres seit fast 50 Jahren angetrauten Gatten auf. „Lkw-fahrer halt", antwortete ich lakonisch und wir lachten.
Doch schon bei unserem ersten Besuch – als beide knapp an die Sechzig waren und auf den ersten Blick noch voll im Saft standen – schwebte das scharfe Damoklesschwert des Älterwerdens über ihnen.
Heute, zwölf Jahre später, spüren sie immer häufiger, wie nach einem harten Arbeitstag ihre Kräfte nachlassen. Zudem stand der berechtigte Wunsch im Raum, ein paar von den Früchten ihres von harter Arbeit geprägten Lebens zu genießen.
Je näher indes dieser ultimative, nicht zu verhindernde Tag der ersten Rentenzahlung heranrückte, desto mehr eskalierte der Konflikt zwischen ihrer Hingabe zum Beruf und der traurigen Erkenntnis, fortan ihren weiteren Lebensweg etwas ruhiger angehen zu müssen. Schweren Herzens beschlossen Elke und Heinz vor rund einem Jahr, zukünftig vor allem ihre Pensionsgäste zu versorgen und nur noch einen Tag in der Woche – sonntags – à la carte Gäste zu bewirten. Zusätzlich öffnen die rührigen Pensionäre aber auch weiterhin ihre Türen an jedem beliebigen Tag für Feierwillige und Wandergruppen. Die jedoch vorbestellen müssen.
Sicherlich alles in allem Entscheidungen, die nicht zuletzt im Sinne ihrer zahlreichen Stammgäste fielen, die sie keinesfalls plötzlich im Regen stehen lassen wollten.
Wie bereits bemerkt: So ein endgültiger Abschied – sowohl der einzige Sohn und als auch die inzwischen 23-jährige Enkeltochter haben bei der Aussicht auf die undankbare und mühselige Laufbahn eines ThüringerWald-gastronomen nur müde abgewunken – ist ein scharfes Schwert.
Doch wer nun glaubt, dass ihre Bereitschaft, ihren Gästen, wenn auch auf Sparflamme, weiterhin zu dienen, hinreichend honoriert wird, sieht sich getäuscht. Recherchen auf diversen Bewertungsportalen im Internet untermauern auf abscheuliche Art und Weise die alte Bibelweisheit (Korinther), dass Undank der Welten Lohn sei. Es hat mich schon schockiert, wie selbstgerechte, sich hinter der Anonymität versteckende, Motzkis das Lebenswerk der Kleinteichs in den verbalen Schmutz treten, nur weil diese ihr sonntägliches Angebot – selbstredend aus alters- und auch wirtschaftlichen Gründen – reduzieren mussten. (Wie lange sollen wir eigentlich noch tatenlos zusehen, mit welcher Boshaftigkeit wildfremde Anarchisten im Netz solche widerwärtigen Urteile fällen?)
Nachdem uns Elke mit einem wunderbaren Wildschweingulasch verwöhnt hatte, ließen wir beim Abschied die Frage zurück, ob es nicht ratsamer gewesen wäre, hätten Elke und Heinz ganz auf das gastronomische Tagesgeschäft verzichtet.
Noch einmal drehten wir uns um: Irgendwann wird es erneut heißen: Es waren einmal zwei wunderbare Wirtsleute. . .
Elkes Jägerstube
Neuhaus am Rennweg Ortsteil Limbach Neumannsgrunder Straße
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Fax: / Holzmichelkleinteich@web.de