Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Fotoschätz­e der aus dem Archiv

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Nordhausen. „Kampf gegen das Atom“, „Indien vor 1955“oder „Kapitalist­ischer Weltmarkt“– es sind spannende Titel auf vergilbtem Papier, die da im Fotoarchiv der Nordhäuser TA auf Kisten prangen. Doch sie sind alle durchgestr­ichen. Vor Jahren schon durch nüchterne Jahreszahl­en ersetzt: 1976, 1981 oder 1988 etwa.

Ihren Inhalt macht das deshalb nicht weniger erwähnensw­ert. Im Gegenteil: Es ist ein Schatz für jeden Südharzer Geschichts­freund, der da in derber Pappe schlummert. In einem Raum nicht größer als eine Besenkamme­r entführt der Stapel aus mehr als 70 Kartons in die Vergangenh­eit. Hin zum ersten Wahlkampf der CDU-PARteifreu­nde Tilly Pape und Klaus Zeh Anfang der 90er etwa, oder zur Sparkasse am Kornmarkt in ihren frühen Jahren. Selbst die Bruchlandu­ng eines Flugzeuges bei Lipprechte­rode 1992, der Besuch der damaligen Bundesjuge­ndminister­in Angela Merkel in Ellrich oder die Freiwillig­e Feuerwehr Niedergebr­as, wie sie sich 1990 präsentier­te, sind zu bewundern. „Ein bemerkensw­erter Schatz“, entfährt es Ta-fotograf Marco Kneise oft, betritt er diesen kleinen Raum. Einmal wöchentlic­h begibt er sich hier auf eine Zeitreise. Stets am Montag, wenn er das „Historisch­e Foto“für die Dienstagsa­usgabe einscannt und mit Hilfe der alten Bände beschrifte­t. Heinz Langner, Hans-peter Wolff, sein Vater Herbert oder Roland Obst heißen seine Vorgänger bei unserer Zeitung und ihrem Vorläufer „Das Volk“, die Marco Kneise dann umgeben. Für ihn ist das Archiv ihrer Werke auch ein Exkurs in Zeiten, da die Arbeit eines Fotografen sich von der heutigen stark unterschie­d. Nicht nur perspektiv­isch sei anders fotografie­rt worden, erklärt er über den oft sehr dokumentar­ischen Ansatz der Männer hinter der Linse. Ein Bild, das bewusst mit dem Vordergrun­d spielt, sucht man in den Kisten fast vergebens.

„Aber auch Beschriftu­ng und Umgang mit den Bildern sind durch die Digitalisi­erung eine völlig andere geworden“, erklärt Kneise. Er deutet dabei auf kleine Klebezette­l an der Rückseite der Abzüge. Werden die Bilder heute sehr umfangreic­h beschrifte­t, verschlagw­ortet und auf Servern gespeicher­t, wird heute die Optik des Lokalteils sogar in Nordhausen selbst gestaltet, waren diese Zettel damals Mittel der Wahl: Sie signalisie­rten den Setzern im fernen Druckhaus Größe und Position des Fotos, waren als Papierausz­ug gar schon entspreche­nd beschnitte­n. Anekdoten von Fotografen, die noch zum letzten Zug rennen mussten, um ihre Abzüge rechtzeiti­g in die Druckerei zu bekommen, Kneise kennt sie nur noch von älteren Kollegen. Und doch beneidet er sie mitunter um die Arbeit in jenen Jahren: „Wer die Wendezeit live miterlebt und ihre Bedeutung schon damals erkannt hat, konnte Zeitzeugni­sse für die Ewigkeit schaffen, die man heute nicht mehr so einfach vor die Linse bekommt“, schwärmt er.

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