Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Nur jeder sechste Baum ist gesund
Borkenkäfer auch an der Buche entdeckt. Forst setzt auf stärkere Baumartenmischung. Fichte unterhalb von 400 Metern mittelfristig chancenlos
Bleicherode. Immer weniger gesunde Bäume, immer mehr mit starken Vitalitätsverlusten: Den Forstamtsleiter Gerd Thomsen überrascht die Kernbotschaft des aktuellen Waldzustandsberichtes nicht.
Nur würden die Aussagen nicht die aktuelle Realität widerspiegeln: „Die Erhebung für den Bericht war schon im Juli, die Katastrophe aber kam erst im August und September“, deutet er die dramatischen Folgen von Hitze und Trockenheit des vergangenen Sommers an. „Das wirkliche Ausmaß sehen wir erst im Laufe dieses Jahres.“
Dem Bericht zufolge sind in Nordthüringens Wäldern nur 16 Prozent aller Bäume gesund, noch ein Jahr zuvor waren es 18 Prozent. Ein Anstieg um neun Prozentpunkte auf 53 Prozent ist gar beim Anteil jener Bäume zu verzeichnen, die deutliche Vitalitätsverluste aufweisen. Vor allem an der Blattmasse wird dies festgemacht. Der Rest, also fast jeder dritte Baum, zeigt zumindest eine leicht ausgedünnte Kronenbelaubung. Vergleicht man die Situation in Nordthüringen mit der im Landesschnitt, fällt auf, dass schon seit zwei Jahrzehnten zwar der Anteil der gesunden Bäume jeweils ähnlich ist, es hierzulande aber stets um die zehn Prozent mehr Bäume mit starken Vitalitätsverlusten gibt.
Um dies zu erklären, verweist Thomsen auf den Fakt, dass es im hiesigen Trias-hügelland relativ viele Buchen gibt. Diese Bestände seien meist alt oder sehr alt, im Gegensatz dazu seien viele Thüringer Fichtenbestände im mittleren, „besten“Alter. Viele dieser Nadelbäume wurden erst nach den Reparationshieben infolge des Krieges und nach Katastrophen gesetzt. Ein zweiter Grund für den Unterschied zum Landesschnitt macht Thomsen darin aus, dass in Nordthüringen die Trockenheit oft stärker zuschlägt.
Dennoch: Der Fichte gibt Thomsen vielerorts im Landkreis keine langfristige Perspektive. In Höhen ab 400 Metern, wo tendenziell mehr Niederschläge fallen, könne man zwar auch in Zukunft diese Baumart pflanzen. „Aus dem Vorland aber wird die Fichte verschwinden“, prognostiziert Thomsen.
Viele Bäume mit starken Vitalitätsverlusten
Buchen haben Torschlusspanik
2018 haben ihr drei Borkenkäfergenerationen zugesetzt, mehrere Stürme entwurzelten viele Fichten, ließen sie wie Streichhölzer knicken.
Die Buche kam vergleichsweise gut weg, wenngleich auch deren Kronen oft lichter als in anderen Jahren waren. „Die Situation ist entspannter.“Zugleich aber weist er darauf hin, dass seit dem Dürrejahr 2003 die Bäume immer häufiger besonders viele Früchte ausbildeten: Es gibt also immer mehr Mastjahre. Was das Wild freut, sei für den Förster ein Warnsignal: „Die Bäume bekommen Torschlusspanik.“
Der Wald ist zwar ein guter Kohlendioxid-speicher, davon abgesehen aber liegt es nicht in der Hand der Förster, den Klimawandel zu beeinflussen.
Während der Landwirt sich berechtigte Hoffnungen auf eine gute Ernte 2019 machen kann, würden die Folgen eines Dürrejahres wie das vorige den Forst noch lange beschäftigen.
Geforscht werde längst daran, ob auch Bäume aus südlicheren Gefilden wie die Libanonzeder oder die Esskastanie hier eine Zukunft haben könnten. Allein auf Laubwald jedenfalls könne man auch nicht setzen, so Thomsen: „Langfristig wäre das wirtschaftlich nicht sinnvoll. Die Sägewerke wollen auch Nadelholz.“Tanne und Douglasie wiederum seien „extrem beliebt“beim Wild, bei der Lärche sei wiederum auch schon der Borkenkäfer aufgetreten. Selbst an der Buche sei letzterer schon im Harz entdeckt worden. Auch hätten einige Buchen die Buchenkomplexkrankheit, erkennbar an schwarzem Schleim, der aus der Rinde tritt.
In Konsequenz müsse eines Ziel sein: Die Wälder seien noch viel stärker als bislang zu durchmischen, was die Baumarten und deren Alter angeht. Auch im Südharz gebe es da auf vielen Flächen Nachholbedarf: „Wir haben oft entweder Buchenoder Fichtenbestände, was auch der Geschichte geschuldet ist: Vor Jahrzehnten waren Kahlschläge üblich, und ein Förster bekam Ärger wegen einzelner Birken zwischen den Fichten.“.