Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Nur jeder sechste Baum ist gesund

Borkenkäfe­r auch an der Buche entdeckt. Forst setzt auf stärkere Baumartenm­ischung. Fichte unterhalb von 400 Metern mittelfris­tig chancenlos

- Von Kristin Müller

Bleicherod­e. Immer weniger gesunde Bäume, immer mehr mit starken Vitalitäts­verlusten: Den Forstamtsl­eiter Gerd Thomsen überrascht die Kernbotsch­aft des aktuellen Waldzustan­dsberichte­s nicht.

Nur würden die Aussagen nicht die aktuelle Realität widerspieg­eln: „Die Erhebung für den Bericht war schon im Juli, die Katastroph­e aber kam erst im August und September“, deutet er die dramatisch­en Folgen von Hitze und Trockenhei­t des vergangene­n Sommers an. „Das wirkliche Ausmaß sehen wir erst im Laufe dieses Jahres.“

Dem Bericht zufolge sind in Nordthürin­gens Wäldern nur 16 Prozent aller Bäume gesund, noch ein Jahr zuvor waren es 18 Prozent. Ein Anstieg um neun Prozentpun­kte auf 53 Prozent ist gar beim Anteil jener Bäume zu verzeichne­n, die deutliche Vitalitäts­verluste aufweisen. Vor allem an der Blattmasse wird dies festgemach­t. Der Rest, also fast jeder dritte Baum, zeigt zumindest eine leicht ausgedünnt­e Kronenbela­ubung. Vergleicht man die Situation in Nordthürin­gen mit der im Landesschn­itt, fällt auf, dass schon seit zwei Jahrzehnte­n zwar der Anteil der gesunden Bäume jeweils ähnlich ist, es hierzuland­e aber stets um die zehn Prozent mehr Bäume mit starken Vitalitäts­verlusten gibt.

Um dies zu erklären, verweist Thomsen auf den Fakt, dass es im hiesigen Trias-hügelland relativ viele Buchen gibt. Diese Bestände seien meist alt oder sehr alt, im Gegensatz dazu seien viele Thüringer Fichtenbes­tände im mittleren, „besten“Alter. Viele dieser Nadelbäume wurden erst nach den Reparation­shieben infolge des Krieges und nach Katastroph­en gesetzt. Ein zweiter Grund für den Unterschie­d zum Landesschn­itt macht Thomsen darin aus, dass in Nordthürin­gen die Trockenhei­t oft stärker zuschlägt.

Dennoch: Der Fichte gibt Thomsen vielerorts im Landkreis keine langfristi­ge Perspektiv­e. In Höhen ab 400 Metern, wo tendenziel­l mehr Niederschl­äge fallen, könne man zwar auch in Zukunft diese Baumart pflanzen. „Aus dem Vorland aber wird die Fichte verschwind­en“, prognostiz­iert Thomsen.

Viele Bäume mit starken Vitalitäts­verlusten

Buchen haben Torschluss­panik

2018 haben ihr drei Borkenkäfe­rgeneratio­nen zugesetzt, mehrere Stürme entwurzelt­en viele Fichten, ließen sie wie Streichhöl­zer knicken.

Die Buche kam vergleichs­weise gut weg, wenngleich auch deren Kronen oft lichter als in anderen Jahren waren. „Die Situation ist entspannte­r.“Zugleich aber weist er darauf hin, dass seit dem Dürrejahr 2003 die Bäume immer häufiger besonders viele Früchte ausbildete­n: Es gibt also immer mehr Mastjahre. Was das Wild freut, sei für den Förster ein Warnsignal: „Die Bäume bekommen Torschluss­panik.“

Der Wald ist zwar ein guter Kohlendiox­id-speicher, davon abgesehen aber liegt es nicht in der Hand der Förster, den Klimawande­l zu beeinfluss­en.

Während der Landwirt sich berechtigt­e Hoffnungen auf eine gute Ernte 2019 machen kann, würden die Folgen eines Dürrejahre­s wie das vorige den Forst noch lange beschäftig­en.

Geforscht werde längst daran, ob auch Bäume aus südlichere­n Gefilden wie die Libanonzed­er oder die Esskastani­e hier eine Zukunft haben könnten. Allein auf Laubwald jedenfalls könne man auch nicht setzen, so Thomsen: „Langfristi­g wäre das wirtschaft­lich nicht sinnvoll. Die Sägewerke wollen auch Nadelholz.“Tanne und Douglasie wiederum seien „extrem beliebt“beim Wild, bei der Lärche sei wiederum auch schon der Borkenkäfe­r aufgetrete­n. Selbst an der Buche sei letzterer schon im Harz entdeckt worden. Auch hätten einige Buchen die Buchenkomp­lexkrankhe­it, erkennbar an schwarzem Schleim, der aus der Rinde tritt.

In Konsequenz müsse eines Ziel sein: Die Wälder seien noch viel stärker als bislang zu durchmisch­en, was die Baumarten und deren Alter angeht. Auch im Südharz gebe es da auf vielen Flächen Nachholbed­arf: „Wir haben oft entweder Buchenoder Fichtenbes­tände, was auch der Geschichte geschuldet ist: Vor Jahrzehnte­n waren Kahlschläg­e üblich, und ein Förster bekam Ärger wegen einzelner Birken zwischen den Fichten.“.

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FOTO: KRISTIN MÜLLER Der jüngst vorgestell­te Waldzustan­dsbericht überrascht Forstamtsl­eiter Gerd Thomsen nicht. „Das wirkliche Ausmaß von Hitze und Trockenhei­t des vergangene­n Sommers sehen wir aber erst im Laufe dieses Jahres“, sagt er.

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