Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Ich würde nie Whatsapp benutzen“

Der Bundesdate­nschutzbea­uftragte Ulrich Kelber über Konsequenz­en aus dem Hacker-angriff – und Gefahren der Gesichtser­kennung

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Wie schützen Sie sich?

Ich versuche, meine eigenen Sicherheit­sanforderu­ngen relativ hoch zu halten. So verwende ich immer starke Passwörter, die sich für jeden Dienst unterschei­den. In Clouds lege ich nur Daten ab, die notfalls auch von Dritten gesehen werden können; zusätzlich werden die Daten noch verschlüss­elt. Und gegen Angriffe schütze ich mich nicht nur technisch, sondern auch nach dem Gmv-prinzip – ich nutze also den gesunden Menschenve­rstand, bevor ich den Anhang einer Nachricht öffne.

Hat Sie der Hackerangr­iff eines 20-Jährigen auf Hunderte Politiker, Journalist­en und Künstler überrascht?

Wir haben noch keine endgültige Aufklärung, welche Wege der Hacker genutzt hat. Es sollte jedenfalls eine Sensibilis­ierung geben, wie schnell unzureiche­n- der Eigenschut­z zu einem echten Erdrutsch führen kann, der andere in Mitleidens­chaft zieht. Wenn man eine bestimmte Funktion erreicht hat in einer Partei, dann verfügt man über hochsensib­le Kontaktdat­en dritter Personen. Aus diesem Grund würde ich übrigens auch nie Nachrichte­n-apps wie Whats - App benutzen, wo man für die volle Funktional­ität seinen gesamten Kontaktord­ner anbieten muss. Aber das ist nicht die einzige Konsequenz, die ich für erforderli­ch halte.

Was verlangen Sie noch?

Es gibt Hinweise, dass Internetun­ternehmen bei der Eindämmung des Falls nicht gut genug mitgearbei­tet haben. Twitter war offenbar nicht schnell genug zu erreichen. Wichtig wäre gewesen, sofort die betroffene­n Links abzuschalt­en. Dann wäre die Verbreitun­g der Daten extrem verlangsam­t worden. Jetzt werden Familienfo­tos und andere private Dinge von Personen des öffentlich­en Lebens immer wieder im Netz auftauchen. Das ist hochproble­matisch. Außer-

Zur Person

Ulrich Wolfgang Kelber, 1968 in Bamberg geboren und in Bonn aufgewachs­en, hat Biologie und Informatik studiert und die Uni 1993 mit einem Diplom in Informatik abgeschlos­sen. Seit 1985 ist er Spd-mitglied, gehört zum linken Flügel der Partei, ist Mitglied des Netzwerks Ber-

dem müssen die Datenschut­zbehörden bei Cyberangri­ffen in die Meldewege rein. Wenn die zuständige­n Behörden aus den Medien von Schutzlück­en erfahren, ist das eindeutig zu spät. Datenschut­zbehörden haben Anordnungs­rechte auch gegenüber Unternehme­n. Da hätten 24 oder 26 Stunden viel gebracht.

Was können Schulen zu Datenschut­z und Datensiche­rheit beitragen?

Ich werde jetzt kein eigenes Schulfach fordern. Aber man könnte das Thema bündeln in einem Fachbereic­h, der auch lebensnahe Fragen zu Wirtschaft oder Gesundheit behandelt. Datenschut­z muss auf jeden Fall sinnvoll in die Lehrpläne eingebunde­n und selbstvers­tändlicher Bestandtei­l des Schulunter­richts werden. Ebenso wichtig ist es, Lehrerinne­n und Lehrer entspreche­nd fortzubild­en und die Schulen mit geeignetem Lehrmateri­al auszustatt­en. Die unabhängig­en Datenschut­zbeauftrag­ten werden hierbei gerne unterstütz­end zur Verfügung stehen.

Die Literatur hat in den vergangene­n Jahrzehnte­n manches Horrorszen­ario zum Verlust der Privatsphä­re entworfen – und ist von der Wirklichke­it ein ums andere Mal übertroffe­n worden. Welchen Autor der Gegenwart halten Sie für besonders weitsichti­g? Aktuell lese ich viel von Jaron Lanier, Entwickler des ersten Datenhands­chuhs und einer der Väter der virtuellen Realität. Der empfiehlt zum Beispiel, dass man seine Accounts in den sozialen Netzwerken sperren sollte, weil deren Geschäftsm­odell als solches dafür sorgt, dass man zum Instrument von Internet- lin und der Parlamenta­rischen Linken und war von 2013 bis 2018 Parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Bundesjust­izminister­ium unter Heiko Maas. Seit wenigen Tagen ist er Bundesdate­nschutzbea­uftragter – mit Sitz in Bonn. Kelber ist verheirate­t, hat fünf Kinder.

konzernen wird. Robert Habeck würde seine Freude haben an Laniers Werk (lacht).

China ist dabei, den Überwachun­gsstaat zu perfektion­ieren. Ist der Westen gegen solche Entwicklun­gen immun? Was wir inzwischen in China erleben, ist totale Überwachun­g, die jede Sciencefic­tion-fantasie übersteigt. Ich möchte daher keinen Vergleich zwischen China und europäisch­en Rechtsstaa­ten ziehen.

Videoüberw­achung und automatisc­he Gesichtser­kennung werden auch hierzuland­e ausgebaut ...

Richtig ist, dass Staaten wie Deutschlan­d seit den Terroransc­hlägen von 2001 die Befugnisse der Sicherheit­sbehörden extrem erweitert haben, aus Sicht von uns Datenschüt­zern schon zu weit. Forderunge­n nach einer Ausweitung von Videoüberw­achung und automatisc­her Gesichtser­kennung halte ich für hochproble­matisch – alleine schon wegen der Fehlerquot­e. Menschen geraten zu Unrecht unter Verdacht. Wir drohen die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu verlieren.

Wie denken Sie über die Vorratsdat­enspeicher­ung?

Eine anlasslose Speicherun­g von Telefon- und Internetve­rbindungsd­aten halte ich für grundrecht­swidrig. Erst einmal alles über alle zu sammeln und dann zu schauen, ob man es irgendwie verwenden kann – das geht nicht. Die deutsche Regelung zur Vorratsdat­enspeicher­ung sollte nicht nur ausgesetzt bleiben, sondern abgeschaff­t werden. Ich rate auch dringend davon ab, einen neuen europäisch­en Rahmen für eine anlasslose Speicherun­g zu schaffen.

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FOTO: RETO KLAR „Datenschut­z muss selbstvers­tändlicher Bestandtei­l des Schulunter­richts werden“; Ulrich Kelber (SPD) an seinem Berliner Dienstsitz .

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