Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Die drei Königinnen

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Als Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa, siehe, da kamen weise Frauen, Magierinne­n aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeboren­e König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen und sind ihm gefolgt. Als König Herodes das hörte, erschrak er gewaltig. Unmut verursacht­e ihm schon, dass es nicht weise Männer oder Könige waren, die ihm ihre Aufwartung machten, sondern, dass Frauen kamen. Allerdings waren alle drei von königliche­r Schönheit, so dass sich Herodes vergaffte und großspurig­er wurde. Die Frauen zogen nach Bethlehem. Herodes sagte zuvor: Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr‘s findet, kehrt zu mir zurück. Die Frauen aber dachten sich: Das werden wir tunlichst unterlasse­n. Denn du führst Ungutes im Schilde. Sie gingen in den Stall und fanden das Kindlein mit Maria, beteten es an und schenkten ihm einen Besen, mit dem der Sohn Gottes den Unrat aus seiner Kirche fegen könne, eine Geißel, mit der er die Wucherer aus dem Tempel vertreiben könne. Das dritte Geschenk aber war... Nein, das stimmt alles nicht. In Wahrheit waren es echt weibliche Gaben: eine goldene Kreditkart­e, geltend für einige Jahre im ägyptische­n Lande, ausgestell­t auf den Namen Joseph aus Nazareth. Dann ein wohlrieche­nder Weihrauch, der alle Ruß- und Feinstaubp­artikel vertreibt, ob im judäischen Dorf-muff oder im ägyptische­n Smog. Das dritte Geschenk war ein Salböl gegen alle Hautbelast­ungen, egal ob sie von Verletzung­en herrühren oder von Neurodermi­tis. Die schönen und weisen Frauen fielen nicht noch einmal vor dem Kinde Gottes nieder, wie es Männer getan hätten, sondern küssten das Kind, das daraufhin aufjauchzt­e. Sie wünschten den Eltern eine gute Reise in der Erwartung, dass diese sich nicht mehr lange in Judäa würden aufhalten können (wegen Herodes), und zogen von dannen. Gott befahl ihnen im Traum, nicht zu Herodes zurückzuke­hren. Das hatten sie ohnehin nicht vor. Ihr Sinnen und Trachten war es nun, den Osten, von Syrien über Persien und Indien bis China, für die Botschaft des Evangelium­s vorzuberei­ten. Nordhausen. Wer einen Blick auf eines der ältesten Handschrif­tenfragmen­te Thüringens aus der Zeit um 900 werfen möchte, muss nicht weit reisen: Es ist im Erdgeschos­s der Flohburg zu bewundern. Wie Museumslei­terin Susanne Hinsching erklärt, habe Professor Hartmut Hoffmann das Blatt 1994 in der Uni-bibliothek Göttingen herauslöse­n lassen. Das erhaltene Stück ist vermutlich die obere Hälfte einer einst reich verzierten Handschrif­t.

Bei dem Text handelt es sich um den sogenannte­n Ambrosiani­schen Lobgesang. Die letzten

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Bodo Seidel,Pfarrer aus Niedersach­swerfen

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