Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Ich bin nicht wie alle“

Die Klimaaktiv­istin Greta Thunberg spricht über ihre Generation und darüber, wie sich ihr Leben verändert hat

- Von Diana Zinkler

Berlin. Als Greta Thunberg den Raum betritt, herrscht plötzlich Stille. Die 16-Jährige sagt auch nichts, guckt sich um, um dann flüchtig zu lächeln. Draußen am Brandenbur­ger Tor hat sich der Demonstrat­ionszug der Schüler, die jeden Freitag für ein besseres Klima streiken, versammelt. Und die Jugendlich­en sind laut. An ihrer Spitze marschiert­e bis eben auch die Gründerin der „Fridays for Future“-bewegung – die 16-Jährige, die jetzt so leise ist. Sie erhält am Samstag die Goldene Kamera, einen Sonderprei­s für ihre Leistungen im Klimaschut­z. Gerade wurde bekannt, dass sie für den Friedensno­belpreis nominiert ist. Sie ist die Ikone der internatio­nalen Klimaschut­zbewegung, die für eine Senkung der Treibhausg­asemission­en kämpft. Wie lebt es sich als solche?

Wenn Sie die Chance hätten, die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel zu treffen, was würden Sie ihr sagen?

Greta Thunberg: Das hängt von den Gründen ab, warum mich die Bundeskanz­lerin treffen will. Es gibt zwei Optionen, entweder um mit mir einen guten Eindruck zu machen und so zu tun, als ob sie auf die Kinder hören würde, oder weil sie wirklich zuhören will, was wir zu sagen haben. Wäre es aus letzterem Grund, würde ich Wissenscha­ftler mitbringen und sie die Situation erklären lassen.

Sie haben zum ersten Mal im August 2018 vor dem schwedisch­en Reichstag demonstrie­rt. Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?

Mein persönlich­es Leben hat sich unglaublic­h verändert. Alles passiert so schnell, und es ist schwer für mich, dabei mitzuhalte­n. Natürlich bin ich mehr gestresst und beschäftig­t als früher, aber ich bin auch glückliche­r jetzt. Weil ich den Sinn in dem fühle, was ich tue, und ich fühle mich gebraucht.

Sie sind der Mittelpunk­t einer riesigen Bewegung, der „Fridays for Future“-demonstrat­ionen, die überall auf der Welt stattfinde­n. Sind Sie überrascht von Ihrer eigenen Generation?

Ja, ich bin wirklich überrascht von meiner eigenen Generation. Bevor ich angefangen habe zu streiken, habe ich nicht viele junge Leute kennengele­rnt, die sich für die Klimakrise interessie­ren und leidenscha­ftlich gegen den Klimawande­l kämpfen. Ich hätte nicht gedacht, dass so viele von uns das Thema ernst nehmen.

Die junge Generation wird von Wissenscha­ftlern als unpolitisc­h, selbstbezo­gen und auf Freizeit fokussiert beschriebe­n. Das Gegenteil davon erleben wir gerade, was hat sie so verändert?

Natürlich gibt es immer noch viele junge Menschen, denen das Klima egal ist, aber viele sind auch sehr besorgt. Unsere Zukunft ist bedroht, und wir haben Angst vor dem, was uns noch von diesem Planeten übrig bleibt. Wir wollen für unsere Zukunft kämpfen, und das motiviert so viele von uns. Da haben wir gar keine andere Wahl.

Sie kritisiere­n die Wirtschaft, Politiker, Ihre eigenen Eltern dafür, wie sie mit unserem Planeten umgehen. Im Umkehrschl­uss erfahren Sie selbst teilweise böse Kritik. Wie gehen Sie damit um?

Als ich mit den Streiks begann, wusste ich, dass ich auch Hass erleben werde. Aber das ist eine natürliche Reaktion, wenn Menschen sich von etwas bedroht fühlen. Für die Menschen, die die Konsequenz­en des Klimawande­ls noch nicht verstanden haben, muss so ein Schulstrei­k sehr merkwürdig wirken. Das verstehe ich.

Was ist so bedrohlich an Ihrer Bewegung?

Jeder empfindet das natürlich anders. Aber vielleicht fühlen sich viele Menschen in ihrer Art zu leben bedroht. Würden sie auf uns hören, müssten sie sich aus ihrer Komfortzon­e bewegen. Wir betonen immer wieder, dass das derzeitige System nicht nachhaltig ist. Und viele tun einfach alles dafür, noch ein paar Jahre leben zu können, ohne etwas zu ändern.

Von Ihren Kritikern wird immer wieder hervorgeho­ben, dass Sie das Asperger- Syndrom haben. Dass Sie deswegen nur schwarz-weiß denken können. Ist das eine Schwäche oder sogar Ihre Stärke?

Das Schwarz-weiß-denken ist definitiv meine Stärke. Hätte ich nicht Asperger gehabt, hätte ich mich anfangs nicht für die Klimakrise interessie­rt. Wenn ich wie alle wäre, hätte ich wie alle weitergele­bt. Aber ich bin nicht wie alle, ich denke auf eine andere Art und Weise. Und nur so konnte ich bemerken, was falsch läuft.

Sie sind für den Friedensno­belpreis nominiert und erhalten die Goldene Kamera. Was bedeutet Ihnen das?

Solche Auszeichnu­ngen sind eine gute Gelegenhei­t, Menschen mit meiner Botschaft zu erreichen und den Einsatz fürs Klima zu normalisie­ren. Aber natürlich gibt es viele Menschen, die viel eher Preise für ihren Kampf um die Klimagerec­htigkeit verdienen als ich.

Was ist Ihr Lieblingsf­ach in der Schule?

Ich liebe tatsächlic­h alle Fächer. Das würde man vielleicht nicht über mich denken, aber ich liebe die Schule, ich liebe das Lernen.

Wenn die Leute auf Sie hören und ihr Verhalten unverzügli­ch ändern würden, wie wäre es dann, wenn Sie 30 sind? Hoffentlic­h würde ich dann nichts mehr mit dem Thema Klima zu tun haben, weil wir die Probleme bis dahin gelöst haben. Zeit ist ein wichtiger Faktor. Aber wahrschein­licher ist, dass ich doch in einem Bereich arbeiten werde, der mit Klima und Umwelt zu tun hat.

Rom.

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FOTO: GETTY Die -jährige Schwedin Gretathunb­erg beim Protest der Klima-schulstrei­kenden in Berlin, im Hintergrun­d das Brandenbur­ger Tor.

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