Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Schinderei mit der Pflanzhacke: Kahlflächen werden aufgeforstet
Nach den jüngsten Stürmen setzt der Staatsforst Tausende Jungbäume – in der Hoffnung auf genug Regen in diesem Jahr
Rothesütte. Drei Mal gräbt sich das Blatt der Pflanzhacke in den Boden, dann endlich ist das Loch groß und tief genug für die Wurzeln der kleinen Fichte. Routiniert zieht Gerd Reichardt das Pflänzchen aus einem Leinensack, setzt es in den mineralischen Boden unter der Humusschicht, schiebt das Erdreich drumherum, drückt ihn an. Zwei Schritt weiter beginnt das Ganze von vorn. Etwa 250 Pflanzen schafft der Forstwirt am Tag.
Auf dieser etwa drei Hektar großen Fläche bei Rothesütte ist Platz für 7000 junge Fichten. „Friederike“hat hier gewütet, später waren es die Stürme „Herwart“und „Eberhard“.
Ob sich die Schinderei lohnt? Gerd Reichardt lässt die Pflanzhacke kurz am Boden ruhen, zuckt mit den Schultern. Sein Gesicht erzählt von der Angst vor einem wieder so regenarmen Sommer wie 2018, von der Angst, dass das Werk dieser Tage vertrocknet.
Mit drei weiteren Kollegen ist Gerd Reichardt im Wald von Rothesütte zu Gange. „Nach Feierabend könnte es regnen“, sagt Norbert Baumann und weiß doch, dass dies sehr unwahrscheinlich ist.
„Naturverjüngung hat natürlich eine bessere Wurzelausbildung, Pflanzungen sind immer nur eine Krücke“, erklärt Forstamtsleiter Gerd Thomsen. Die Krücke ist allerdings notwendig nach den Stürmen, die seit Januar 2018 allein im hiesigen Staatswald knapp 40 Hektar Kahlflächen zurückließen.
Diese Schäden zu beseitigen, werde noch etwa drei Jahre dauern, schätzt Thomsen. Dabei pflanze man in diesem Jahr mit rund 21.000 Stück schon etwa doppelt so viel als normalerweise üblich. Zwischen 60 Cent und einem Euro kostet ein Baum von der Baumschule.
Die Bedingungen für die Pflanzung sind nicht optimal: Der Boden ist zu trocken, auch nach dem Winter noch lange nicht mit Wasser gesättigt. „Der Boden nimmt noch Wasser auf wie ein trockener Schwamm“, sagt der Forstamtschef.
Waldarbeiter Frank Henschel zeigt auf die Spitzen der alten Fichten, von einigen Bäumen sind diese nur noch braun – es sind die Spuren des Buchdruckers. Den Kampf gegen den Borkenkäfer müssen die Forstwirte parallel ausfechten, irgendwie.
Damit der Rüsselkäfer nicht die Wurzelhälse der jungen Fichten schädigt, wurden die Freiflächen vorher gemulcht. Sind die Jungbäume gesetzt, bekommen sie einen stinkenden Anstrich – gegen den Wildverbiss. „Und wenn Geld da ist, stellen wir noch einen Hochsitz her“, sagt Revierleiter Hans-jürgen Schmeißer.
Dass Fichten gesetzt werden, hänge übrigens mit einer Vorbestellung in der Baumschule vor zwei, drei Jahren zusammen. „Hier in 550 Metern könnte sie auch langfristig eine Chance haben“, meint Thomsen mit Blick auf den Klimawandel. Künftig werde man allerdings darauf achten, dass die Bäume auch einzeln stabiler sind, statt 30 etwa 50 Prozent Kronenanteil haben. Eine Durchforstung aller fünf Jahre ermögliche das.
In tieferen Lagen setzt der Staatsforst, was das Nadelholz angeht, nur noch auf Douglasien und Weißtannen.
Pflanzungen
Im Staatswald plant das Forstamt BleicherodeSüdharz in diesem Jahr rund 21.000 Neuanpflanzungen:
Revier Rothesütte: 7000 Fichten
Revier Christianenhaus: 3600 Fichten, 3200 Buchen, 2600 Weißtannen und 200 Douglasien
Revier Königsthal: 1200 Traubeneichen, 1100 Bergahorn, Kirsche, Bergulme und Douglasie (gemischt) Revier Bleicherode und Revier Großfurra: 700 Douglasien und 30 Walnuss
Revier Heringen: 1350 Fichten als Weihnachtsbaumkultur
Die Bäume werden auf Windbruchflächen oder im Zuge des Waldumbaus auf insgesamt etwa zehn Hektar gepflanzt.
Um die Jungbäume vor dem Verbiss durch Wild zu schützen, setzen die Waldarbeiter etwa 2000 laufende Meter neuen Zaun. Zudem wird mit etwa 1000 Wuchshüllen beziehungsweise Freiwuchsgittern gearbeitet. (kmü)