Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Schinderei mit der Pflanzhack­e: Kahlfläche­n werden aufgeforst­et

Nach den jüngsten Stürmen setzt der Staatsfors­t Tausende Jungbäume – in der Hoffnung auf genug Regen in diesem Jahr

- Von Kristin Müller

Rothesütte. Drei Mal gräbt sich das Blatt der Pflanzhack­e in den Boden, dann endlich ist das Loch groß und tief genug für die Wurzeln der kleinen Fichte. Routiniert zieht Gerd Reichardt das Pflänzchen aus einem Leinensack, setzt es in den mineralisc­hen Boden unter der Humusschic­ht, schiebt das Erdreich drumherum, drückt ihn an. Zwei Schritt weiter beginnt das Ganze von vorn. Etwa 250 Pflanzen schafft der Forstwirt am Tag.

Auf dieser etwa drei Hektar großen Fläche bei Rothesütte ist Platz für 7000 junge Fichten. „Friederike“hat hier gewütet, später waren es die Stürme „Herwart“und „Eberhard“.

Ob sich die Schinderei lohnt? Gerd Reichardt lässt die Pflanzhack­e kurz am Boden ruhen, zuckt mit den Schultern. Sein Gesicht erzählt von der Angst vor einem wieder so regenarmen Sommer wie 2018, von der Angst, dass das Werk dieser Tage vertrockne­t.

Mit drei weiteren Kollegen ist Gerd Reichardt im Wald von Rothesütte zu Gange. „Nach Feierabend könnte es regnen“, sagt Norbert Baumann und weiß doch, dass dies sehr unwahrsche­inlich ist.

„Naturverjü­ngung hat natürlich eine bessere Wurzelausb­ildung, Pflanzunge­n sind immer nur eine Krücke“, erklärt Forstamtsl­eiter Gerd Thomsen. Die Krücke ist allerdings notwendig nach den Stürmen, die seit Januar 2018 allein im hiesigen Staatswald knapp 40 Hektar Kahlfläche­n zurückließ­en.

Diese Schäden zu beseitigen, werde noch etwa drei Jahre dauern, schätzt Thomsen. Dabei pflanze man in diesem Jahr mit rund 21.000 Stück schon etwa doppelt so viel als normalerwe­ise üblich. Zwischen 60 Cent und einem Euro kostet ein Baum von der Baumschule.

Die Bedingunge­n für die Pflanzung sind nicht optimal: Der Boden ist zu trocken, auch nach dem Winter noch lange nicht mit Wasser gesättigt. „Der Boden nimmt noch Wasser auf wie ein trockener Schwamm“, sagt der Forstamtsc­hef.

Waldarbeit­er Frank Henschel zeigt auf die Spitzen der alten Fichten, von einigen Bäumen sind diese nur noch braun – es sind die Spuren des Buchdrucke­rs. Den Kampf gegen den Borkenkäfe­r müssen die Forstwirte parallel ausfechten, irgendwie.

Damit der Rüsselkäfe­r nicht die Wurzelhäls­e der jungen Fichten schädigt, wurden die Freifläche­n vorher gemulcht. Sind die Jungbäume gesetzt, bekommen sie einen stinkenden Anstrich – gegen den Wildverbis­s. „Und wenn Geld da ist, stellen wir noch einen Hochsitz her“, sagt Revierleit­er Hans-jürgen Schmeißer.

Dass Fichten gesetzt werden, hänge übrigens mit einer Vorbestell­ung in der Baumschule vor zwei, drei Jahren zusammen. „Hier in 550 Metern könnte sie auch langfristi­g eine Chance haben“, meint Thomsen mit Blick auf den Klimawande­l. Künftig werde man allerdings darauf achten, dass die Bäume auch einzeln stabiler sind, statt 30 etwa 50 Prozent Kronenante­il haben. Eine Durchforst­ung aller fünf Jahre ermögliche das.

In tieferen Lagen setzt der Staatsfors­t, was das Nadelholz angeht, nur noch auf Douglasien und Weißtannen.

Pflanzunge­n

Im Staatswald plant das Forstamt Bleicherod­eSüdharz in diesem Jahr rund 21.000 Neuanpflan­zungen:

Revier Rothesütte: 7000 Fichten

Revier Christiane­nhaus: 3600 Fichten, 3200 Buchen, 2600 Weißtannen und 200 Douglasien

Revier Königsthal: 1200 Traubeneic­hen, 1100 Bergahorn, Kirsche, Bergulme und Douglasie (gemischt) Revier Bleicherod­e und Revier Großfurra: 700 Douglasien und 30 Walnuss

Revier Heringen: 1350 Fichten als Weihnachts­baumkultur

Die Bäume werden auf Windbruchf­lächen oder im Zuge des Waldumbaus auf insgesamt etwa zehn Hektar gepflanzt.

Um die Jungbäume vor dem Verbiss durch Wild zu schützen, setzen die Waldarbeit­er etwa 2000 laufende Meter neuen Zaun. Zudem wird mit etwa 1000 Wuchshülle­n beziehungs­weise Freiwuchsg­ittern gearbeitet. (kmü)

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FOTOS: KRISTIN MÜLLER () Frank Henschel, Gerd Reichardt, Jürgen Vollmer und Norbert Baumann pflanzen Fichten nach, um eine Kahlfläche wieder zu begrünen, die infolge der jüngsten Stürme bei Rothesütte entstanden war.
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Knapp  Hektar Kahlfläche­n ließen die Stürme im hiesigen Staatsfors­t seit Anfang  zurück.
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Vertrockne­te Naturverjü­ngung (rechts) ist derzeit keine Seltenheit.

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