Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Bahn will Glyphosat meiden
Bayer investiert in Alternativen
Die Klimaschutzdebatte wird zum Problem für die Luftfahrt. Kann man noch guten Gewissens ins Flugzeug steigen, wenn sich auch die Bahn anbietet? Der Präsident des Flughafenverbands ADV, der Frankfurter Flughafenchef Stefan Schulte, stellt sich der Diskussion. Er sieht seinen eigenen Airport sogar als Vorreiter für den Klimaschutz.
Herr Schulte, haben Sie Flugscham?
Stefan Schulte: Nein. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wann und aus welchen Gründen er fliegt. Solche Entscheidungen sollten nicht fremdbestimmt sein. Es ist ein Grundbedürfnis einer Gesellschaft, mobil zu sein, fremde Kulturen kennenzulernen, auch mal Urlaub zu machen. Fast die Hälfte der Flugreisenden fliegt zudem aus geschäftlichen Gründen. Es geht dabei also auch um Arbeitsplätze in Deutschland und um die Erhaltung des Wohlstands. Wir brauchen den Luftverkehr für die internationale Vernetzung. Deutschland profitiert ganz besonders davon. Wir müssen uns aber natürlich um die Frage kümmern, wie emissionsarm der Luftverkehr werden muss.
Wie emissionsarm kann der Flugverkehr denn werden?
Die Adv-flughäfen haben sich auf eine gemeinsame Klimaschutzstrategie verständigt: In der letzten Dekade haben wir die Emissionen um 20 Prozent reduziert. Bis 2030 wollen wir weitere 30 Prozent Senkung erzielen – nicht pro Passagier, sondern in absoluten Zahlen. 2050 wollen die Flughäfen Frankfurt und München Co2-neutral sein. Ich gehe davon aus, dass auch die anderen deutschen Flughäfen sich so ambitionierte Vorgaben setzen werden. Gutes Beispiel ist der Flughafen Weeze, der bereits heute Klimaneutralität durch zwei große Solarkraftwerke erreicht.
Was machen Sie, um die Ziele zu erreichen?
Die Adv-flughäfen setzen auf viel effizientere Klima- und Energieanlagen. Sie wollen die Stromerzeugung aus regenerativen Quellen ausbauen – das können Solarzellen auf dem Gelände und den Dächern des Flughafens sein oder sogar Windkraftanlagen. In dem Fernsehduell der Spitzenkandidaten vor der Europawahl waren sich alle einig, dass Kurzstreckenflüge vermieden oder gar verboten werden sollten. Was haben Sie da gedacht?
Die Flughäfen scheuen diese Debatte nicht. Bereits heute fliegen im innerdeutschen Luftverkehr neun von zehn Passagieren auf Strecken, die weiter als 400 Kilometer sind. Hier spielt der Luftverkehr seine Stärken aus, ist er für die Reisenden wirtschaftlich und effizient. In Deutschland wurden die Flugstrecken Hamburg–berlin und Köln–frankfurt bereits eingestellt. Dort gibt es sehr gute Ice-verbindungen. Für Frankfurt kann ich sagen, dass wir mit dem Ice-bahnhof perfekt angebunden sind, wenn Passagiere international fliegen, aber auf Umsteigeverbindungen verzichten möchten. Generell wünschen wir Flughäfen uns eine bessere intermodale Anbindung mit der Schiene. Das müsste zunächst einmal umgesetzt werden. Eine Forderung, innerdeutsche Flüge generell durch die Bahn zu ersetzen, taugt für die Praxis übrigens nicht.
Warum nicht?
Die Bahn könnte aktuell gar nicht all die Passagiere aufnehmen. Zuallererst müsste das Hochgeschwindigkeitsnetz massiv ausgebaut werden. Das dauert viele Jahre. Der ökologische Fußabdruck – wie Flächenverbrauch, Lärm und Ressourcenverbrauch eines Flughafens – ist gleichzeitig viel besser als der der Bahnschiene. Generell gilt: Ordnungspolitische Verbote sind immer der falsche Weg. Der Markt reguliert sich besser über Anreize.
Ein großes Leidensthema sind Flugausfälle und Verspätungen. Wie wird der Flugsommer 2019?
Mit Blick darauf, wie wir die Reisewelle über Ostern bewältigt haben, bin ich eigentlich zuversichtlich, dass dieser Sommer besser läuft. Aber die Lage bleibt angespannt. Es wurden mehrere Maßnahmen ergriffen: Airlines haben etwa Flugpläne entzerrt und mehr Personal eingestellt. Die Pünktlichkeitswerte sind im Vorjahresvergleich schon besser und die Flugausfälle weniger geworden. Die Flugsicherung braucht aber noch mehr Fluglotsen – und mehr Flugstraßen. Aber hier sind auch politische Entscheidungen auf europäischer Ebene gefordert. Die Gewinne der Fluglinien sinken, manche Airlines sterben – wie Air Berlin und Germania. Das belastet vor allem kleine Flughäfen. Wie sollen sie überleben?
Die Luftfahrtbranche hat es mit einer Marktbereinigung zu tun. In den letzten Jahren sind viele Fluggesellschaften aus dem Markt ausgeschieden, die dezentrale Flughäfen angeflogen haben. Diese Phase ist für viele Flughäfen schwierig. Die Airlines wollen ihre Marktanteile an den großen Hotspots ausbauen. Zahlreiche andere Flughäfen haben es da schwer, in der Nische ihre Position zu behaupten. Ich glaube aber, dass diese Airports eine Zukunft haben. Sie sind wichtig für die Anbindung ihrer Regionen, für Wirtschaft und Tourismus. Die Branche wird sich auch wieder verändern und die Vorteile kleinerer Flughäfen für sich nutzen.
Die Vorfälle mit Drohnen nehmen zu. Wie groß ist diese Gefahr für die Luftfahrt?
Die Flughäfen nehmen die Vorfälle sehr ernst. Sie fordern seit Jahren eine Registrierungs- und Transponderpflicht für Drohnen, mit welcher Technik auch immer. Es muss sich jetzt etwas tun. Es handelt sich um gefährliche Eingriffe in den Luftverkehr. Das sind Straftaten, die verfolgt werden müssen. Es kann doch nicht wahr sein, dass Drohnen einfach in den Luftverkehr eindringen können, ohne dass es Konsequenzen gibt.
Wurde jemals ein Besitzer einer solchen den Flugverkehr störenden Drohne gefunden? Das ist mir nicht bekannt. Die Täter hinter den jüngsten Vorfällen in Frankfurt und München hat man nicht gefunden.
Was ist zu tun?
Die Drohnen müssen ein Signal senden, damit man sie identifizieren kann. Und sie müssen registriert werden, damit man ihre Besitzer finden kann. Und die Zuständigkeiten in einer solchen Situation müssen klar geregelt sein. Wer ist für die Erkennung der Drohnen verantwortlich? Da sehe ich die Flugsicherung in der Pflicht, nicht die Flughäfen, das ist derzeit in der Diskussion. Die Abwehr ist am Ende Aufgabe der Bundes- oder Landespolizei. Leverkusen. Der Pharma- und Pflanzenschutzkonzern Bayer will in den kommenden zehn Jahren rund fünf Milliarden Euro in die Suche nach Alternativen zum umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat investieren. Die Leverkusener betonten am Freitag, Glyphosat werde weiterhin eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft und in der Produktpalette des Unternehmens spielen. Doch wolle der Konzern Alternativen zur Unkrautbekämpfung entwickeln.
Unterdessen versucht auch die Deutsche Bahn, in Zukunft ohne Glyphosat auszukommen. „Zusammen mit dem Bundesumweltministerium wollen wir ein Forschungsprojekt aufsetzen, um wirksame Möglichkeiten zu finden, die 33.000 Kilometer Streckennetz ohne Glyphosat und damit ebenso umweltfreundlich wie sicher zu betreiben“, sagte Bahnvorstand Ronald Pofalla der „Wirtschaftswoche“. Der bundeseigene Konzern ist laut dem Blatt mit rund 65 Tonnen pro Jahr größter Einzelabnehmer von Glyphosat in Deutschland. Dem Bericht zufolge hat die Bahn drei Verfahren identifiziert, die als mögliche Alternativen im Gleisbereich zum Einsatz kommen könnten: Unkraut könnte mit Heißwasser, Elektroschocks oder energiereichem Uv-licht bekämpft werden.
Der Unkrautvernichter Glyphosat hat sich für Bayer zuletzt zu einem Problem entwickelt. Der Konzern sieht sich in den USA mit einer Klagewelle wegen möglicher Gesundheitsschäden konfrontiert. (dpa)