Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
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Winfried Schmitt alias Professor Zwanziger gibt an der Kreisvolkshochschule Nachhilfe im Nordhäuser Platt. Wir haben an einer Unterrichtsstunde teilgenommen
Nordhausen. Seine Kostümierung hat er zu Hause gelassen. Anstatt mit Zylinder und im Anzug steht Winfried Schmitt alias Professor Zwanziger von der Rolandgruppe mit dunkel kariertem Hemd und braunem Cord-jackett auf dem Schulhof des Herder-gymnasiums. In seiner einen Hand hält er eine Aktentasche. Erwartungsvoll blickt er zum Eingangsportal der Schule hinüber. Ab und an wirft Winfried Schmitt einen Blick auf die Uhr. Diese zeigt noch nicht einmal 18 Uhr an. Es ist noch etwas Zeit, bis der Unterricht anfängt.
Doch nicht er selbst drückt hier die Schulbank, sondern gibt den Lehrer in einem Kurs, den die Kreisvolkshochschule anbietet. In insgesamt sechs Unterrichtseinheiten, die jeweils 90 Minuten dauern, bringt der Darsteller des Professor Zwanzigers den Teilnehmern Nordhisser Platt bei. Dass schon einige seiner Schüler Vorkenntnisse mitbringen, zeigt sich bereits bei der Begrüßung des Dozenten auf dem Schulhof. Statt mit „Guten Tag“oder „Guten Abend“begrüßen viele Winfried Schmitt mit einem kräftigen „Wieän?!“Dieses Wort schreibt er dann auch wenig später im Klassenraum 106 groß mit Kreide an die Tafel. Es ist die erste Lektion für diejenigen unter den Teilnehmern, die zum ersten Mal mit dem Nordhisser Platt in Berührung kommen. „Das bedeutet nichts anderes als Guten Tag“, erläutert er und gibt den Anwesenden dann zunächst eine kleine Einführung in die Geschichte des Nordhäuser Platts. „Es ist Teil unserer Identität“, verdeutlicht der Sprachexperte der Rolandgruppe. Unumwunden gibt er zu, dass der Dialekt schon eher ein eigenartiger Singsang sei, der von anderen als ulkig empfunden werde. „Viele schämen sich sogar für diesen Dialekt“, hat Winfried Schmitt zu seinem Bedauern festgestellt und wirbt stattdessen dafür, doch dazu zu stehen. Denn auch in den umliegenden Orten werde ein Dialekt gesprochen und führt als Beispiele unter anderem Wipperdorf, Bleicherode oder Auleben an. Letztere „haben einen ganz dollen Dialekt, der eher klingt, als wenn sich Kinder unterhalten. Sehr lustig“, sagt Winfried Schmitt und lacht.
Das Nordhisser Platt ist dem Professor Zwanziger-darsteller zufolge früher vor allem in den unteren Klassen gepflegt worden. Doch dieses ursprüngliche Platt werde nicht einmal in der Rolandgruppe gesprochen. „Man muss mich ja schon verstehen“, meint er und grinst verschmitzt.
Heike Rinck wollte früher oft nicht, dass sie von anderen verstanden wird. „Ich bin eine echte Nordhäuserin. Meine Großeltern haben Platt gesprochen und ich habe noch als Kind gelernt, es zu lesen und zu schreiben“, erzählt sie. Mit ihrem Vater habe sie oft Platt gesprochen, „wenn wir nicht verstanden werden wollten.“Die Nordhäuserin betont, dass sie viel Spaß daran hat, den Dialekt zu sprechen und schon mehrere Kurse besucht hat, um ihr Wissen aufzufrischen. „Ich will nicht, dass das Platt verloren geht“, beschreibt sie ihre Motivation für ihre Teilnahme am Unterricht von Winfried Schmitt. Für Uwe Koch von der Kreisvolkshochschule ist es „persönlich eine Ehre“, bei dem Sprachexperten der Rolandgruppe dazuzulernen. Sein letzter Kurs liege schon eine Weile zurück, räumt der Organisator der Veranstaltung ein. Die Kreisvolkshochschule hat in der Vergangenheit schon häufiger Platt-kurse angeboten. „Immer mit anderen Dozenten“, weiß Uwe Koch. Und jeder von ihnen habe den Unterricht auf seine Art und Weise durchgezogen.
Winfried Schmitt ist da keine Ausnahme. Auch er hat so seine Vorstellungen, wie er den wissbegierigen Teilnehmern den Dialekt beibringen oder deren Kenntnisse auffrischen will. Von strengem Vokabeln pauken und sturem Abfragen hält der Nordhäuser nichts. „Der Spaß steht hier im Vordergrund“, macht er deutlich. Und wie um diese Aussage zu unterstreichen, bekommen die Teilnehmer dann eine Kostprobe des Dialekts zu hören – in Form des Märchens „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, das allerdings ein ganz klein wenig von der ursprünglichen Version abweicht. Doch die Kursteilnehmer stört das wenig. Sie konzentrieren sich darauf, ob sie es verstehen und darauf, wie manche Wörter ausgesprochen werden. Und dass sie es tun, ist an dem einen oder anderem herzhaften Lachen zu vernehmen...