Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Streit im Verfassung­sschutz: Massive Vorwürfe gegen Kramer

Präsident soll bei Prüfverfah­ren gegen AFD Fachebene übergangen haben. Heute Verhandlun­g vor Verfassung­sgericht

- Von Martin Debes

Erfurt. Das Prüfverfah­ren wegen extremisti­scher Tendenzen innerhalb der Thüringer AFD hat im Landesamt für Verfassung­sschutz zu starken internen Konflikten geführt. Nach Informatio­nen dieser Zeitung stritten Präsident Stephan Kramer und der damalige Referatsle­iter für Rechtsextr­emismus monatelang über Zuständigk­eiten und Vorgehen. Inzwischen soll der Bedienstet­e versetzt worden sein.

In einer internen E-mail an Kramer erhebt der Mitarbeite­r schwere Vorwürfe gegen den Präsidente­n. So seien die Fachleute im Amt während des Verfahrens gezielt „außen vor“gelassen worden. Zudem habe Kramer auf der Pressekonf­erenz im September 2018, auf der er die AFD zum „Prüffall“erklärte, „falsche und ungenaue Informatio­nen“verwendet. „Auch von einer Verwendung (…) des Artikels einer linksextre­mistischen Zeitschrif­t (…) wäre dringend abzuraten gewesen“, heißt es.

Die E-mail vom 10. Januar 2019 wurde erst in dieser Woche anonym über eine verschlüss­elte Adresse verbreitet. Die Indiskreti­on steht offenkundi­g im Zusammenha­ng mit der laufenden Verfassung­sklage der Thüringer AFD gegen Kramer und Innenminis­ter Georg Maier (SPD).

Die Richter sollen klären, ob Kramer die Landespart­ei vor einem Jahr öffentlich als „Prüffall“bezeichnen durfte. Für diesen Mittwoch ist vor dem Gerichtsho­f in Weimar die mündliche Verhandlun­g angesetzt.

In seinem Schreiben an Kramer spricht der Referatsle­iter ausdrückli­ch die Afd-klage an. „Das benannte Vorgehen birgt aus meiner Sicht nicht unerheblic­he Prozessris­iken“, heißt es. Gleichzeit­ig äußert er weitere Vorhalte gegen den Präsidente­n. So habe dieser im Zusammenha­ng mit Demonstrat­ionen eine falsche Anzahl von Rechtsextr­emisten genannt.

Kramer wollte sich am Dienstag nicht äußern. Ein Sprecher von Innenminis­ter Maier bestätigte auf Anfrage die Echtheit der E-mail. Sie gebe die „persönlich­e Auffassung eines einzelnen Mitarbeite­rs wieder“. Der Präsident des Amtes treffe seine Entscheidu­ng „auf Grundlage fachlicher Beratung und persönlich­er Einschätzu­ng“, erklärte der Sprecher. Ob Kramer der Argumentat­ion eines einzelnen Mitarbeite­rs folge, stehe ihm frei.

Der Sprecher sagte, dass die offenbar „interessen­geleitete“Herausgabe der E-mail ein „dienstrech­tliches Vergehen“darstelle. Das Ministeriu­m habe Ermittlung­en eingeleite­t.

Der Thüringer Verfassung­sschutz hatte vor einem Jahr als erstes Landesamt eine Prüfung gegen die AFD öffentlich angekündig­t. Das Bundesamt erklärte Anfang 2019 die Bundespart­ei zum „Prüffall“– darf aber diese Bezeichnun­g laut einem Verwaltung­sgerichtsu­rteil, das die AFD erwirkte, nicht mehr öffentlich verwenden. Der parteiinte­rnen „Flügel“unter Thüringens Afd-landeschef Björn Höcke wurde damals vom Bundesamt als „Verdachtsf­all“eingestuft

Höckes Co-landeschef Stefan Möller bestätigte auf Anfrage, dass die Landespart­ei parallel zum Verfahren vor dem Verfassung­sgericht eine Klage gegen Kramer und Maier vor dem Verwaltung­sgericht in Weimar eingereich­t habe.

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