Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
„Die Politik hat zu wenig zugehört“
Vw-vorstand Hiltrud Werner fordert mehr ostdeutsche Führungskräfte in den neuen Ländern
Wolfsburg. Vw-vorstand Hiltrud Werner kritisiert, dass Ostdeutsche im Osten nur schwer Karriere machen können. Werner ist eine von drei Ostdeutschen unter den 200 Vorständen in deutschen Dax-konzernen.
„Rund achtzig Prozent der Leitungsfunktionen werden dort von Westdeutschen besetzt“, sagt Werner. Sie wünsche sich ein umgedrehtes Verhältnis, so die 52-Jährige, die in Bad Doberan geboren wurde und in Thüringen eine Ausbildung zur Textiltechnikerin gemacht hat. Seit 2017 ist sie im VW-VORstand für das Ressort Recht und Integrität verantwortlich.
Im Gespräch mit dieser Zeitung bekennt sie, „gern Lobbyismus für den Osten zu betreiben, der es noch immer schwer hat.“Die Menschen hätten nach der friedlichen Revolution, „die sie geschafft haben“, große Opfer gebracht, ihre Identität bewahrt und eine unheimliche Kraft bewiesen. „Viele im Osten haben daran geglaubt, dass es ihnen in fünf Jahren besser geht. Doch das war nur bei wenigen der Fall, die Geduld und Leidensfähigkeit haben sich oft nicht gelohnt.“Ohne Folgekonzept wurden Betriebe privatisiert und Strukturen zerschlagen. Das hätte Auswirkungen bis heute, „weil die Politik auch in den letzten zehn Jahren zu wenig zugehört hat, was im Osten schiefgelaufen ist.“Und noch immer mangele es an Gerechtigkeit. Von der daraus resultierenden allgemeinen Unzufriedenheit profitiere auch die AFD, glaubt Werner. „Wir müssen die Menschen in Ostdeutschland an den Lösungen für ihre Zukunft beteiligen“, fordert sie.
Bei VW, dem größten Konzern in Europa, hätte es als Folge des Diesel-skandal einen notwendigen Wandel zu einer „offenen Unternehmens- und Fehlerkultur“gegeben. Hiltrud Werner spricht sich im Interview auch für eine Frauen-quote aus. „Ich würde es gut finden, wenn der öffentliche Sektor und die Politik diesbezüglich ein Vorbild für die Privatwirtschaft werden und so den Druck erhöhen“.