Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Die Gemeindesc­hwester soll es richten

Thüringer Sozialmini­sterium kündigt Modell-projekt „Agathe“für 2020 an. Senioren haben Angst, ihren Angehörige­n zur Last zu fallen

- Von Stefan Hantzschma­nn

Erfurt. Thüringens Sozialmini­sterin Heike Werner (Linke) kann sich die Einführung von Gemeindesc­hwestern mit medizinisc­her Ausbildung in Thüringen vorstellen. Es gebe bereits das Modell „Schwester Verah“, sagte Werner. Dabei handelt es sich um medizinisc­hes Personal, das von den Hausarztpr­axen aus unter anderem Hausbesuch­e macht. „Vielleicht braucht man noch andere Modelle, wo jemand im Dorf und in der Region unterwegs ist“, sagte Werner gestern bei der Vorstellun­g des zweiten Thüringer Seniorenbe­richts in Erfurt.

Dabei denke sie ebenfalls an ausgebilde­te Krankensch­western, die den Gesundheit­szustand überprüfen und auch Blut abnehmen können, so die Ministerin weiter. Allerdings müsse man mit den Krankenkas­sen über Möglichkei­ten der Finanzieru­ng sprechen, sagte Werner. Ihrer Ansicht nach funktionie­rt das Modell der „Schwester Verah“eher für größere Hausarztpr­axen. Kleinere Praxen hätten nicht genug Schwestern, die unterwegs sein könnten.

Einige Kommunen in Thüringen dächten bereits darüber nach, über das Landesprog­ramm „Solidarisc­hes Zusammenle­ben der Generation­en“Dorfzentre­n zu finanziere­n, in denen eine Art Gemeindesc­hwester auch medizinisc­he Aufgaben übernimmt.

Im Jahr 2020 soll zunächst das Modell-projekt „Agathe“starten. Dabei sollen ältere Menschen unterstütz­t werden, „damit Pflegebedü­rftigkeit erst gar nicht entsteht“, wie Werner sagte. Hier gehe es etwa darum, Hilfe im Haushalt zu organisier­en, Freizeit- und Ehrenamtsa­ktivitäten zu vermitteln. Die Senioren sollen auch durch das bereits vorhandene Hilfesyste­m gelotst werden. „Wir haben viele alte Leute, die nicht wissen, was es alles gibt und die sich dann zurückzieh­en“, sagte Werner. Nach Angaben des Sozialmini­steriums stehen für das Projekt „Agathe“im Haushalt 2020 rund 1,9 Millionen Euro bereit. Laut aktuellem Seniorenbe­richt haben viele ältere Thüringer ab 75 Jahren Angst vor den finanziell­en Folgen einer Pflegebedü­rftigkeit. „Es besteht die Angst auch davor, Angehörige­n zur Last zu fallen“, sagte Werner. „Thüringen hat bundesweit die höchste Zunahme von pflegebedü­rftigen Menschen. Zwischen 2015 und 2017 gab es eine Zunahme von knapp 24 Prozent“, sagte Werner. In Thüringen leben dem Bericht zufolge 287.000 Menschen, die 75 Jahre oder älter sind.

Für den Thüringer Seniorenbe­richt wurden unter anderem Daten des Statistisc­hen Landesamte­s ausgewerte­t, Fragebögen an Senioren verschickt und Expertenin­terviews geführt. (dpa)

287.000 Menschen sind 75 Jahre – oder älter

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FOTO: C. REHDER/DPA Gemeindesc­hwester Astrid berichtet mithilfe eines Dummys von ihrem Arbeitsall­tag.

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