Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Die Gemeindeschwester soll es richten
Thüringer Sozialministerium kündigt Modell-projekt „Agathe“für 2020 an. Senioren haben Angst, ihren Angehörigen zur Last zu fallen
Erfurt. Thüringens Sozialministerin Heike Werner (Linke) kann sich die Einführung von Gemeindeschwestern mit medizinischer Ausbildung in Thüringen vorstellen. Es gebe bereits das Modell „Schwester Verah“, sagte Werner. Dabei handelt es sich um medizinisches Personal, das von den Hausarztpraxen aus unter anderem Hausbesuche macht. „Vielleicht braucht man noch andere Modelle, wo jemand im Dorf und in der Region unterwegs ist“, sagte Werner gestern bei der Vorstellung des zweiten Thüringer Seniorenberichts in Erfurt.
Dabei denke sie ebenfalls an ausgebildete Krankenschwestern, die den Gesundheitszustand überprüfen und auch Blut abnehmen können, so die Ministerin weiter. Allerdings müsse man mit den Krankenkassen über Möglichkeiten der Finanzierung sprechen, sagte Werner. Ihrer Ansicht nach funktioniert das Modell der „Schwester Verah“eher für größere Hausarztpraxen. Kleinere Praxen hätten nicht genug Schwestern, die unterwegs sein könnten.
Einige Kommunen in Thüringen dächten bereits darüber nach, über das Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“Dorfzentren zu finanzieren, in denen eine Art Gemeindeschwester auch medizinische Aufgaben übernimmt.
Im Jahr 2020 soll zunächst das Modell-projekt „Agathe“starten. Dabei sollen ältere Menschen unterstützt werden, „damit Pflegebedürftigkeit erst gar nicht entsteht“, wie Werner sagte. Hier gehe es etwa darum, Hilfe im Haushalt zu organisieren, Freizeit- und Ehrenamtsaktivitäten zu vermitteln. Die Senioren sollen auch durch das bereits vorhandene Hilfesystem gelotst werden. „Wir haben viele alte Leute, die nicht wissen, was es alles gibt und die sich dann zurückziehen“, sagte Werner. Nach Angaben des Sozialministeriums stehen für das Projekt „Agathe“im Haushalt 2020 rund 1,9 Millionen Euro bereit. Laut aktuellem Seniorenbericht haben viele ältere Thüringer ab 75 Jahren Angst vor den finanziellen Folgen einer Pflegebedürftigkeit. „Es besteht die Angst auch davor, Angehörigen zur Last zu fallen“, sagte Werner. „Thüringen hat bundesweit die höchste Zunahme von pflegebedürftigen Menschen. Zwischen 2015 und 2017 gab es eine Zunahme von knapp 24 Prozent“, sagte Werner. In Thüringen leben dem Bericht zufolge 287.000 Menschen, die 75 Jahre oder älter sind.
Für den Thüringer Seniorenbericht wurden unter anderem Daten des Statistischen Landesamtes ausgewertet, Fragebögen an Senioren verschickt und Experteninterviews geführt. (dpa)
287.000 Menschen sind 75 Jahre – oder älter