Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Nordhäuser Sozialarbeiterin: „Wir helfen da, wo es brennt“
Jugendhilfe ist heute kein einfacher Job. Gewaltbereitschaft und Streitigkeiten haben in den Familien zugenommen
Nordhausen. Sandy Weinrich macht ihren Job mit Herzblut. Die Nordhäuserin ist seit 1998 eine von 14 Sozialarbeitern im Fachbereich Jugend des Landratsamtes. Sie hat schon viel erlebt. „Einen festen Tagesablauf gibt es bei uns nicht immer, denn unsere Arbeit ist fremdbestimmt“, sagt sie. Als Sozialarbeiterin sei sie in einer akuten Abteilung mit schnell anfallenden Problemen tätig. Denn Kinderschutz oder Inobhutnahmen seien nicht planbar. „Wir helfen da, wo es brennt“, betont sie.
Am Wochenende hatte sie Rufbereitschaft mit drei Einsätzen. „Oft sind auch Nachteinsätze dabei, wenn Eltern Party machen, dabei Alkohol oder Drogen konsumieren und Kinder gefährdet sind“, nennt sie ein typisches Beispiel.
Oder wenn Kinder „abgängig“sind und von der Polizei aufgegriffen werden. Einen solchen Fall hatte sie am Sonntagabend. „Zwei Geschwister, acht und zwölf Jahre alt, waren von zu Hause weggelaufen, wurden von Passanten gefunden, die die Polizei alarmierten“, schildert sie. Die Beamten informierten daraufhin die Sozialarbeiterin. „Ich bin dann hingefahren und habe mit den Kindern gesprochen“, sagt Weinrich. Da die Mutter unter der angegebenen Adresse nicht auffindbar gewesen sei, brachte sie die Kinder für die Nacht in einer Einrichtung der Jugendhilfe unter. „Die Mutter hat sich aber noch in der Nacht bei mir gemeldet und konnte ihre Kinder am nächsten Morgen wieder abholen“, berichtet sie.
Anders sehe es natürlich bei Fällen von Gewalt, Misshandlungen oder Missbrauch in der Familie aus. „Dann bleiben die Kinder in der Obhut des Jugendamtes, bis die Situation geklärt ist“, so die Sozialarbeiterin.
Solche Gewaltsituationen würden heute häufiger aufgedeckt als früher, weil die Öffentlichkeit sensibler geworden sei und das Jugendamt öfter informiere. Folglich stiegen auch die Fallzahlen in diesem Bereich zuletzt deutlich an.
„Die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt rief mich an, weil eine junge Mutter mit ihrem zweimonatigen Säugling vor dem gewalttätigen Ehemann geflohen war“, schildert Weinrich einen zweiten Fall. Diese Frau wurde samt Kind von ihr im Frauenhaus untergebracht.
Die dortige Verweildauer sei ganz unterschiedlich. „Manche Frauen versöhnen sich schnell mit ihrem Mann und kehren bald zurück. Andere bereiten den Weggang und die Trennung vom Partner vor und bleiben deshalb länger im Frauenhaus“, berichtet die Sozialarbeiterin.
Sie stehe immer auf Abruf bereit. „Wenn die Schule anruft, weil sich ein Kind nicht nach Hause traut, bin ich schnell vor Ort“, betont sie. Aber wenn zum Beispiel eine Umgangsberatung gefragt sei, vergebe sie einen Termin. „Über allem steht der Schutz des Kindeswohles. Das ist die Maxime“, so Weinrich.
Nicht nur die steigende Streitbereitschaft in den Familien bereitet ihr Sorgen. Auch die Drogenprobleme in vielen Familien seien nicht zu übersehen. „Das betrifft sowohl die Jugendlichen als auch die Eltern“, hat sie beobachtet. „Unsere Klienten konsumieren heute die ganze Palette. Es wird immer häufiger zu harten Drogen gegriffen. Den klassischen Cannabis-konsumenten gibt es nicht mehr“, stellt sie fest. Das habe Konsequenzen für die Familie.
Und auch für die Sozialarbeiterin. Denn die Gewaltbereitschaft der Menschen habe zugenommen. „Wir sind alle schon bedroht worden, es hat Übergriffe gegeben“, betont sie. Zu manchen Problemfällen gingen zwei Kollegen, und im Notfall helfe natürlich auch die Polizei.