Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Nordhäuser Sozialarbe­iterin: „Wir helfen da, wo es brennt“

Jugendhilf­e ist heute kein einfacher Job. Gewaltbere­itschaft und Streitigke­iten haben in den Familien zugenommen

- Von Hans-peter Blum

Nordhausen. Sandy Weinrich macht ihren Job mit Herzblut. Die Nordhäuser­in ist seit 1998 eine von 14 Sozialarbe­itern im Fachbereic­h Jugend des Landratsam­tes. Sie hat schon viel erlebt. „Einen festen Tagesablau­f gibt es bei uns nicht immer, denn unsere Arbeit ist fremdbesti­mmt“, sagt sie. Als Sozialarbe­iterin sei sie in einer akuten Abteilung mit schnell anfallende­n Problemen tätig. Denn Kinderschu­tz oder Inobhutnah­men seien nicht planbar. „Wir helfen da, wo es brennt“, betont sie.

Am Wochenende hatte sie Rufbereits­chaft mit drei Einsätzen. „Oft sind auch Nachteinsä­tze dabei, wenn Eltern Party machen, dabei Alkohol oder Drogen konsumiere­n und Kinder gefährdet sind“, nennt sie ein typisches Beispiel.

Oder wenn Kinder „abgängig“sind und von der Polizei aufgegriff­en werden. Einen solchen Fall hatte sie am Sonntagabe­nd. „Zwei Geschwiste­r, acht und zwölf Jahre alt, waren von zu Hause weggelaufe­n, wurden von Passanten gefunden, die die Polizei alarmierte­n“, schildert sie. Die Beamten informiert­en daraufhin die Sozialarbe­iterin. „Ich bin dann hingefahre­n und habe mit den Kindern gesprochen“, sagt Weinrich. Da die Mutter unter der angegebene­n Adresse nicht auffindbar gewesen sei, brachte sie die Kinder für die Nacht in einer Einrichtun­g der Jugendhilf­e unter. „Die Mutter hat sich aber noch in der Nacht bei mir gemeldet und konnte ihre Kinder am nächsten Morgen wieder abholen“, berichtet sie.

Anders sehe es natürlich bei Fällen von Gewalt, Misshandlu­ngen oder Missbrauch in der Familie aus. „Dann bleiben die Kinder in der Obhut des Jugendamte­s, bis die Situation geklärt ist“, so die Sozialarbe­iterin.

Solche Gewaltsitu­ationen würden heute häufiger aufgedeckt als früher, weil die Öffentlich­keit sensibler geworden sei und das Jugendamt öfter informiere. Folglich stiegen auch die Fallzahlen in diesem Bereich zuletzt deutlich an.

„Die Interventi­onsstelle gegen häusliche Gewalt rief mich an, weil eine junge Mutter mit ihrem zweimonati­gen Säugling vor dem gewalttäti­gen Ehemann geflohen war“, schildert Weinrich einen zweiten Fall. Diese Frau wurde samt Kind von ihr im Frauenhaus untergebra­cht.

Die dortige Verweildau­er sei ganz unterschie­dlich. „Manche Frauen versöhnen sich schnell mit ihrem Mann und kehren bald zurück. Andere bereiten den Weggang und die Trennung vom Partner vor und bleiben deshalb länger im Frauenhaus“, berichtet die Sozialarbe­iterin.

Sie stehe immer auf Abruf bereit. „Wenn die Schule anruft, weil sich ein Kind nicht nach Hause traut, bin ich schnell vor Ort“, betont sie. Aber wenn zum Beispiel eine Umgangsber­atung gefragt sei, vergebe sie einen Termin. „Über allem steht der Schutz des Kindeswohl­es. Das ist die Maxime“, so Weinrich.

Nicht nur die steigende Streitbere­itschaft in den Familien bereitet ihr Sorgen. Auch die Drogenprob­leme in vielen Familien seien nicht zu übersehen. „Das betrifft sowohl die Jugendlich­en als auch die Eltern“, hat sie beobachtet. „Unsere Klienten konsumiere­n heute die ganze Palette. Es wird immer häufiger zu harten Drogen gegriffen. Den klassische­n Cannabis-konsumente­n gibt es nicht mehr“, stellt sie fest. Das habe Konsequenz­en für die Familie.

Und auch für die Sozialarbe­iterin. Denn die Gewaltbere­itschaft der Menschen habe zugenommen. „Wir sind alle schon bedroht worden, es hat Übergriffe gegeben“, betont sie. Zu manchen Problemfäl­len gingen zwei Kollegen, und im Notfall helfe natürlich auch die Polizei.

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SYMBOLFOTO: MARCO KNEISE Gewalt gegen Kinder ist kein Kavaliersd­elikt. Das Nordhäuser Jugendamt ist sofort zur Stelle, wenn Kinder in Gefahr sind.

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