Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Erinnerung an die Zukunft
Über die Zeit, als noch Oberleitungsbusse die Stadtbilder überall in Thüringen prägten
Fast geräuschlos und abgasfrei schaukelt der kastenförmige Wagen auf dem Kopfsteinpflaster durch die sehr engen VorortStraßen von Erfurt-hochheim und ich staune immer wieder über die Ausweichmanöver des Fahrers, die aufgrund der beiden Stromabnehmerstangen begrenzt sind.
Trotzdem springen öfters die Führungen der Stangen aus dem Fahrdraht hoch über der Straße, so dass sie vom Fahrer mit einem langen Haken wieder neu justiert werden...
So ist bestimmt vielen Älteren noch eine Fahrt mit dem Obus bis Anfang der 70er-jahre in guter Erinnerung. Außer ein paar Relikten erinnert heute nichts mehr an den umweltfreundlichen Busbetrieb von damals. Man sieht noch vereinzelt Fahrdrahthalterungen an Häusern und ein Fahrleitungsmast ist als Tragwerk in der alteingesessenen Glaserei Birnstiel in Hochheim integriert.
Am 26. Februar 1948 startete der Fahrbetrieb in Erfurt auf der ersten Teilstrecke Anger-neudaberstedt mit zunächst vier Obussen. Die Eingemeindung von neun Erfurter Vororten verlangte die engere Verbindung dieser Gebiete mit dem städtischen Verkehrsnetz. Nach Verlängerung der Daberstedter Linie 1949 bis Melchendorf konnte schon mit fünf Wagen und Beiwagen gefahren werden. Geplant war auch eine Obus-linie bis nach Gebesee über Gispersleben, Elxleben und Walschleben, was jedoch nie realisiert wurde.
Im April 1951 erfolgte ein wesentlicher Aufschwung, als der Obusverkehr erstmals auf der durchgehend neu geschaffenen Verbindung MelchendorfHochheim fuhr. Bereits 1953 wurde eine weitere Linie zur Ringelberg-siedlung im Osten Erfurts eröffnet. Ost-west Kooperation funktionierte noch und so konnten von den Erfurter Verkehrsbetrieben 1957 fünf Doppelstock-obusse aus Hamburg (!) erworben werden, die bis zum Frühjahr 1958 umgebaut wurden und den vorhandenen Wagenpark effektiv ergänzten (siehe Bild). Ab 1960 kamen die ersten vier neuen SkodaObusse 8Tr zum Einsatz. Im Laufe der Jahre kamen noch 13 weitere Skoda 9Tr hinzu. Doch 1970 erfolgte schrittweise der Rückbau des Obus-netzes zugunsten des flexibleren Kraftomnibusses (Kom). Baumaßnahmen und ein neuer Verkehrsplan besiegelten 1975 das Ende des Obus-betriebes in Erfurt.
Neben den Erfurter Verkehrsbetrieben existierten in Thüringen Obus-betriebe in Gera, Greiz und Weimar. In Gera fuhren sie bereits seit 1939 und 1977 endete dort der Obus- Betrieb aufgrund der Umgestaltung des Stadtzentrums. Kurz nach Kriegsende, im September 1945, eröffnete in Greiz eine 3,9 Kilometer lange Strecke den dortigen Obus-betrieb mit Fahrzeugen von der Fahrzeug Schumann Gmbh aus Werdau, dem späteren VEB Lowa. Doch 1969 erfolgte auch hier die Einstellung des Obus-betriebes und man stieg auf ungarische IkarusGelenkbusse um.
In Weimar dagegen bediente der Obus von 1948 bis 1993 mit Unterbrechung einen wichtigen Teil des Stadtverkehrs. Danach wurde der Einsatz von DuoBussen in Erwägung gezogen, eine Kombination zwischen einem Obus und einem Kraftomnibus. Doch dazu kam es nicht mehr, obwohl inzwischen diese technische Option weltweit erfolgreich praktiziert wird.
In San Francisco erlebte ich ein gut ausgebautes Obus-netz, wobei für die Us-norm umgerüstete Skoda-trolleybusse im Einsatz sind. Der abgasfreie Betrieb des Oberleitungsbusses ist ein entscheidender Vorteil gegenüber dem Dieselbus und er gilt somit als emissionsfreies Fahrzeug.
Die Frage der Zukunft wird sein: Akzeptieren wir die Fahrleitungen auf den Obus-strecken in unseren Städten oder verdrängen wir die einzige wirklich erprobte langlebige und alternative Antriebstechnik. Allerdings setzt dies auch eine engagierte Förderung durch das Land Thüringen voraus.