Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Größte Automesse in der Krise
Nur noch 800 Aussteller präsentieren sich auf der IAA. Verkaufsschlager ist der SUV, der Umweltschützer provoziert
Berlin/frankfurt. Die Internationale Automobil-ausstellung (IAA) in Frankfurt gilt als eine der wichtigsten Automessen der Welt. Doch in diesem Jahr fiel der Konkurrenzkampf um die begehrtesten Ausstellerplätze geringer aus als in den Jahren zuvor. Nur noch 800 Aussteller präsentieren ab heute ihre mehr als 360 Autoneuheiten auf einer Fläche von 24 Fußballfeldern. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren tummelten sich noch über 1000 Aussteller auf dem Messegelände und benötigten über 32.000 Quadratmeter zusätzliche Fläche. Doch in diesem Jahr sagten schon im Vorfeld reihenweise namhafte Autohersteller ab, darunter die französischen PSAMarken Peugeot, Citroën und DS und die japanischen Autogrößen Suzuki, Subaru und Toyota. Aber auch Luxushersteller wie Aston Martin und RollsRoyce bleiben der Messe fern.
So haben vor allem die deutschen Autobauer viel Raum, um ihre Visionen zu präsentieren. Die drehen sich vor allem darum, Elektromobilität für die breite Masse bezahlbar und attraktiv werden zu lassen. Opel zelebrierte die Eröffnung seines Standes mit der Vorstellung des neuen Corsa-e, den Opel-chef Michael Lohscheller zusammen mit dem Fußballtrainer und Opel-werbegesicht Jürgen Klopp präsentierte. Auch Volkswagen preschte vor und präsentierte das neue Mittelklasse-e-auto ID.3. Das Auto im Golf-format ist das erste Modell einer rein elektrischen Fahrzeug-familie, die VW in den nächsten Jahren ausrollen will – samt Mini-bus, Buggy und den stark nachgefragten SUV. In der Basisversion soll es den ID.3 schon für unter 30.000 Euro geben. Mit den Stromern will VW in ein neues Zeitalter sauberer Mobilität vorstoßen. Das geschieht unter dem Druck sich verschärfender Co2-grenzwerte in Europa und in China. Ganz nebenbei sehen die Wolfsburger in der Elektro-strategie eine Chance, ihr durch den AbgasSkandal angeschlagenes Image zu verbessern.
Gleichzeitig verhehlte VWChef Herbert Diess nicht, dass es aus seiner Sicht wesentlich kostengünstigere Wege als die Umgestaltung der Automobilindustrie gäbe, den CO2-AUSstoß insgesamt zu verringern. Als Beispiel nannte er unter anderem den Verzicht auf Stromerzeugung aus Kohle. „Den Verkehr Co2-neutral aufzustellen, ist sehr teuer, dennoch tun wir es. Man muss uns aber zugestehen, dass wir den Wandel so gestalten, dass wir ihn meistern können“, sagte Diess.
Viele Klimaschützer sehen das anders. Schon vor dem ersten Messetag kam es zu lauten Protesten, für die ersten Publikumstage am Sonnabend und Sonntag sind Demonstrationen angekündigt. Die Umweltorganisation Greenpeace legte eine Studie vor, wonach die Autobranche für neun Prozent der weltweiten Co2-emissionen verantwortlich sei – und damit für dreimal so viel im Vergleich zur Flugbranche. Greenpeace forderte, ab 2028 müsse mit Verbrennungsmotoren Schluss sein.
Besonders im Fokus der Umweltschützer steht der Kassenschlager der deutschen Autobauer: der SUV. Im August entfielen 22,2 Prozent der 313.748 Neuzulassungen auf die Sportgeländewagen. SUV sind Klimaschützern wegen ihrer Ausstoßwerte schon länger ein Dorn im Auge, spätestens seit dem tödlichen Unfall am vergangenen Freitag in BerlinMitte mit vier Toten, sei der SUV „zum Reizwort geworden“, sagte Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer unserer Redaktion. Der Grünen-bürgermeister von Berlin-mitte, Stephan von Dassel, nannte SUV Anfang der Woche „panzerähnliche Autos“, die nicht in die Stadt gehörten. „Fast schon populistisch“, findet Dudenhöffer die Debatte zum Suv-verbot. Ziel müsse es sein, nachhaltige Mobilität und SUV in Einklang zu bringen. Aber: „Dafür sollte man vermeiden, sehr provokante Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.“Dazu zählt Dudenhöffer Modelle wie den BMW X7 oder den Mercedes-benz GL.
Auf der IAA wird es aber an wuchtigen SUV und Geländewagen nicht mangeln. So präsentierte Land Rover pünktlich zum Start die Neuauflage seiner bekanntesten Baureihe, bei der sich einige Klimaschützer schon vom Namen provoziert fühlen dürften: den Defender.
Klimaschützer protestieren