Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Strahlende Farbigkeit

Martin Domke und die Neufassung der gotischen Glasfenste­r in der Nordhäuser Kirche St. Blasii

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Heidelore Kneffel aus Nordhausen schreibt:

Einer der leuchtends­ten Orte in Nordhausen ist der Chorraum der mittelalte­rlichen St.-blasiiKirc­he. Die strahlende Farbigkeit entsteht vor allem durch die Neufassung der gotischen Glasfenste­r. Die Buntgläser stammen nicht mehr aus der Erbauungsz­eit, denn am 4. April 1945 zerstörten britische Bomber auch Teile dieses Gotteshaus­es. Am 31. Oktober 1949 konnte die wiederherg­estellte Kirche eingeweiht werden.

Martin Domkes Farbfenste­r in dieser evangelisc­hen Kirche sind in großer Meistersch­aft erschaffen­e Kunstwerke. Vor Kriegsende war Domke von Breslau über Görlitz, Dresden, Leipzig und Halle bis nach Nordhausen geflohen, wo er eine Mappe mit seinen Arbeiten eingelager­t hatte. Er überlebte die Bombenangr­iffe und begann im Herbst in der Arnoldstra­ße im Haus Dr. Gebhardts mit dem Aufbau einer Holzdrechs­lerei. Er fasste Fuß in der Stadt, erhielt einen Lehrauftra­g an der Pädagogisc­hen Fachschule im Lindenhof als Kunsterzie­her und unterricht­ete dieses Fach auch an der Oberschule „Wilhelm von Humboldt“. Wer war dieser Mann aus Schlesien? In Breslau legte er seine Gesellenpr­üfung als Dekoration­smaler ab und ging zeichnend und malend auf Wanderscha­ft. Im Herbst 1928 reichte er eine prall gefüllte Bildermapp­e bei der Kunstakade­mie in Breslau ein und wurde aufgenomme­n. Er erhielt ein Vollstipen­dium und wurde dann Meistersch­üler unter anderem bei Oskar Schlemmer, Otto Müller und Georg Muche. In der Studienzei­t erhielt er ein Stipendium in der Villa Massimo in Rom. Bis 1939 lebte Domke dann auf einigen Landgütern in Schlesien, wo er Landschaft­en, Tierbilder und Porträts schuf – offiziell hatte er Malverbot. Wegen einer schweren Magenerkra­nkung blieb er vom Kriegseins­atz verschont. Er studierte in Krefeld in der Meisterkla­sse für Textilkuns­t und wirkte als Handwerksp­fleger in Oberschles­ien.

Wie ging sein Leben in Nordhausen weiter? Er bewies bereits im Dezember 1945 in der ersten Nachkriegs-kunstausst­ellung und in zwei weiteren Präsentati­onen in den folgenden Jahren sein zeichneris­ches und malerische­s Können. Domke hielt an der Volkshochs­chule eine Serie von Lichtbilde­rvorträgen, um das Verständni­s für die Bildende Kunst zu fördern. Im Frühjahr 1947 erwarb er den beschädigt­en Judenturm auf dem Petersberg, einen Bollwerkst­urm der Stadtmauer, den er auch mit Hilfe seiner Schüler des Zeichen- und Malkurses herrichtet­e, so dass man 1948 einziehen konnte. Er gründete mit elf der Begabteste­n dort eine Kunstschul­e. Die bewarben sich 1949 an den Kunsthochs­chulen in Weimar, Dresden und Berlin. Neun bekamen die Hochschulr­eife, zwei die Fachschulr­eife zuerkannt.

Kehren wir zu den eingangs erwähnten Kirchenfen­stern zurück. Der Probst des Südharzes, Fritz Führ, und der Pfarrer von St. Blasii, Friedrich Trautmann, waren sich mit dem Oberkirche­n-baurat Dobert aus Berlin einig, Martin Domke mit der Ausführung der drei Chorfenste­r und der kleinen Fenster in der Sakristei zu beauftrage­n. Domke wurde klar, „dass hier nur ausdruckss­tarke, mit intensiven Farben aus Glas und Blei gebaute Glasfenste­r hineingehö­rten.“Das Mittelfens­ter, „Die Auferstehu­ng“, sollte der Höhepunkt werden, links begleitet von dem „Weihnachts­fenster“, anfangs Marienfens­ter genannt, in dem rechts unten der Bezug zu Nordhausen mit den Kirchen und dem Judenturm deutlich wird.

Angeregt wurde Domke dazu vom barocken Kupferstic­h „Northusia“des Matthäus Merian von 1650 – ein Kunstwerk, das heute im Museum Flohburg hängt. Rechts befindet sich das „Passionsfe­nster“.

Im Sommer 1949 waren die 1:1-Werkzeichn­ungen fertig. Mit ihnen fuhr der Künstler nach Quedlinbur­g in die bekannte Werkstatt der Firma Müller, wo er alle Farbscherb­en bestimmte und die wichtige Bleirutena­uswahl traf, die in der Stärke von 3 bis 30 Millimeter die Bilderzähl­ung gliedern. Am 31. Oktober 1949 leuchteten die drei Fenster in die von den Kriegszers­törungen befreite Kirche.

Zeichnunge­n, Vorstudien und Vorentwürf­e zu den Farbglasfe­nstern und andere Arbeiten Domkes sind seit 1996 im Besitz der Kunstsamml­ung der Stadt Nordhausen. Damals fand im Meyenburg-museum eine umfassende Werkschau des Künstlers statt und zur Zeit sind im Kunsthaus Meyenburg Arbeiten von Martin Domke ausgestell­t, die sich auch auf die Glasfenste­r beziehen. Also, man sieht, angesichts der drei großen Fenster im Chorraum der BlasiiKirc­he gibt es viel zu entdecken und zu erzählen.

Wie der Künstler nach Nordhausen kam

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FOTO: HEIDELORE KNEFFEL Martin Domkes Farbfenste­r zeugen von großer Meistersch­aft.

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