Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Lieber auf der Insel als in der Bundesliga

Deutsche Fußball-talente zieht es wieder verstärkt ins Ausland. Gleich neun „Legionäre“finden sich in den aktuellen U-teams

- Von Erik Roos

Frankfurt/main. Leon Goretzka, Timo Werner, Matthias Ginter, Julian Draxler: Die Preisträge­r der Fritz-walter-medaille in Gold haben ihre Qualität meist auch später als Profis nachgewies­en. Als vor dem Länderspie­l gegen die Niederland­e die Auszeichnu­ngen für den besten deutschen Nachwuchsf­ußballer 2019 vergeben wurden, horchte daher so mancher Beobachter auf. Denn erstmals gewannen zwei Talente, die beide im Ausland unter Vertrag stehen: Nicolas Kühn von Ajax Amsterdam (U 19) und Karim Adeyemi vom FC Liefering (U 17).

Kühn und Adeyemi stehen für einen Trend: Gleich neun „Legionäre“finden sich in den aktuellen U-teams des DFB. Alleine in der neu zusammenge­stellten U 21 von Dfb-trainer Stefan Kuntz tauchen in Abwehrspie­ler Julian Chabot (Sampdoria Genua), Stürmer Mats Köhlert (Willem II Tilburg) und Torhüter Eike Bansen (SV Zulte-waregem) drei Spieler auf, die früh den Weg ins Ausland gewählt haben. Meist gibt es zwei Argumente: die gute Ausbildung, vor allem aber bessere Chancen auf Einsatzzei­ten im Männer-bereich.

Kühn wechselte vor eineinhalb Jahren von RB Leipzig nach Amsterdam, mit der zweiten Mannschaft gewann er die niederländ­ische Zweitligam­eisterscha­ft. „In Leipzig hatte ich nicht das Gefühl, dass die Spielidee zu meiner Art von Fußball passt und auch, dass ich oben direkt eine Chance bekommen werde“, sagt der 19-Jährige.

Ähnlich äußerte sich der gebürtige Münchner Adeyemi. Individual­ität war bei der Ausbildung in Deutschlan­d zuletzt kaum gefragt, das ändert sich langsam wieder. Auch der DFB hat das erkannt. „Wir haben bewusst Spieler nominiert, deren Fähigkeite­n in Deutschlan­d zuletzt stark vermisst wurden und die in dieser Ausprägung nur selten zu finden sind“, sagt der Cheftraine­r der deutschen U-nationalma­nnschaften Meikel Schönweitz.

Die Fritz-walter-medaille solle für die Preisträge­r Ansporn sein, fügte Joti Chatzialex­iou als Sportliche­r Leiter der Nationalte­ams an: „Ihre Reise soll bis in die A-nationalma­nnschaft führen.“Dieses Ziel hat auch Paul Glatzel. Der 18-Jährige steht im aktuellen Aufgebot der deutschen U 18, kickt aber seit der Kindheit für den FC Liverpool. Dort wurde er geboren, inzwischen hat er sogar einen Profivertr­ag bei den Reds unterschri­eben. Die Insel steht allerdings auch bei in Deutschlan­d aufgewachs­enen Talenten hoch im Kurs. U-20-nationalsp­ieler Meritan Shabani wechselte erst im August von Bayern München zu den Wolverhamp­ton Wanderers. Schließlic­h gibt es prominente Vorbilder, bei denen der Schritt ins Ausland den gewünschte­n Effekt gebracht hat.

Torhüter Ron-robert Zieler wagte 2005 schon im Alter von 16 Jahren den Wechsel zu Manchester United und gehörte 2014 dem Wm-kader an. Auch Shkodran Mustafi oder Serge Gnabry zog es früh nach England, beide profitiere­n bis heute von ihrer Ausbildung.

Vielleicht aber hat der Deutsche Fußballbun­d seine Ausrichtun­g gerade rechtzeiti­g wieder geändert, um den Trend zu stoppen. Stürmer Lukas Nmecha jedenfalls wählte unlängst den umgekehrte­n Weg, wechselte auch auf Anraten von Stefan Kuntz von Manchester City zum VFL Wolfsburg. Vergangene Woche erzielte er sein erstes Tor für die deutsche U 21. (sid)

Fritz-walter-medaille soll Ansporn sein

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FOTO: KOEPSEL/GETTY Der U--nationalsp­ieler Nicolas Kühn steht bei Ajax Amsterdam unter Vertrag.

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