Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Gefeierte Paarläufer­in, umstritten­e Politaktiv­istin

Die dreimalige Eiskunstla­uf-olympiasie­gerin Irina Rodnina wird heute 70 Jahre alt und bewegt sich auf glattem Terrain

- Von Andreas Frank

Hamburg. Wenn Irina Rodnina auf ihrem Abgeordnet­ensessel in der Duma Platz nimmt, heben sich die Köpfe und der Geräuschpe­gel sinkt. So klein die dreimalige Paarlauf-olympiasie­gerin mit nur 1,52 Meter ist, so groß ist im Parlament der Respekt vor der russischen Eiskunstla­uflegende, die sich mittlerwei­le auch als Politikeri­n in der Putin-partei „Einiges Russland“einen Namen gemacht hat. Wenn auch durch ziemlich zweifelhaf­te Aktionen.

Ihrer sportliche­n Reputation hat das keinen Abbruch getan, vor ihrem 70. Geburtstag am Donnerstag ist die erfolgreic­hste Paarläufer­in der Sportgesch­ichte als Symbolfigu­r aus vermeintli­ch besseren Udssr-zeiten nach wie vor populär. Mit ihrem ersten Eispartner Alexej Uljanow läutete Irina Rodnina bei den Europameis­terschafte­n 1969 in Garmisch-partenkirc­hen eine neue Zeitrechnu­ng ein.

Das schwülstig­e Eisballett ihrer Landsleute und Vorgänger Ludmilla Beloussowa und Oleg Protopopow wurde seinerzeit abgelöst durch eine neue Sportlichk­eit, die das Paarlaufen der 70er-jahre dominierte. „Das war eine spannende Zeit, an die ich mich ganz besonders gern erinnere“, sagte Rodnina in einem Interview der Fachzeitun­g „Pirouette“.

Doch während der älteren russischen Generation oftmals Tränen der Rührung in die Augen steigen, wenn die einstigen Erfolgskür­en Rodninas mal wieder über den Bildschirm flimmern, kennt das junge Russland die Tochter eines Majors der Roten Armee ganz anders: Als ehrgeizige Politikeri­n, deren eher simple Weltanscha­uung zwischen konservati­v, reaktionär und rassistisc­h mäandert.

So entfachte ein Foto des damaligen Us-präsidente­n Barack Obama mit einer Banane auf ihrem Twitter-profil einen globalen Shitstorm, Rodnina erklärte diese üble Beleidigun­g mit angebliche­n Hackern, die ihren Account manipulier­t hätten. Als Abgeordnet­e stimmte sie in der Duma für ein Gesetz, dass USBürgern bis heute verbietet, russische Kinder zu adoptieren. Keine Freunde gemacht hat sich die zehnmalige Weltmeiste­rin auch bei der politische­n Führung in Berlin. Als stellvertr­etende Vorsitzend­e des russischen Auswärtige­n Ausschusse­s empfing Rodnina eine Delegation der AFD in Moskau und zögerte auch nicht, eine Einladung zu einem Gegenbesuc­h in der deutschen Hauptstadt anzunehmen.

Daran konnte und kann die hochdekori­erte Sportlerin nichts Schlechtes finden, die Kontakte werden weiter gepflegt, wenn nicht sogar intensivie­rt.

Das politische Parkett ist für Irina Rodnina scheinbar glatter, als es das Eis unter ihren Kufen jemals war. (sid)

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Irina Rodnina beim Em-sieg im Jahr . Archivfoto: dpa

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