Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Gefeierte Paarläuferin, umstrittene Politaktivistin
Die dreimalige Eiskunstlauf-olympiasiegerin Irina Rodnina wird heute 70 Jahre alt und bewegt sich auf glattem Terrain
Hamburg. Wenn Irina Rodnina auf ihrem Abgeordnetensessel in der Duma Platz nimmt, heben sich die Köpfe und der Geräuschpegel sinkt. So klein die dreimalige Paarlauf-olympiasiegerin mit nur 1,52 Meter ist, so groß ist im Parlament der Respekt vor der russischen Eiskunstlauflegende, die sich mittlerweile auch als Politikerin in der Putin-partei „Einiges Russland“einen Namen gemacht hat. Wenn auch durch ziemlich zweifelhafte Aktionen.
Ihrer sportlichen Reputation hat das keinen Abbruch getan, vor ihrem 70. Geburtstag am Donnerstag ist die erfolgreichste Paarläuferin der Sportgeschichte als Symbolfigur aus vermeintlich besseren Udssr-zeiten nach wie vor populär. Mit ihrem ersten Eispartner Alexej Uljanow läutete Irina Rodnina bei den Europameisterschaften 1969 in Garmisch-partenkirchen eine neue Zeitrechnung ein.
Das schwülstige Eisballett ihrer Landsleute und Vorgänger Ludmilla Beloussowa und Oleg Protopopow wurde seinerzeit abgelöst durch eine neue Sportlichkeit, die das Paarlaufen der 70er-jahre dominierte. „Das war eine spannende Zeit, an die ich mich ganz besonders gern erinnere“, sagte Rodnina in einem Interview der Fachzeitung „Pirouette“.
Doch während der älteren russischen Generation oftmals Tränen der Rührung in die Augen steigen, wenn die einstigen Erfolgsküren Rodninas mal wieder über den Bildschirm flimmern, kennt das junge Russland die Tochter eines Majors der Roten Armee ganz anders: Als ehrgeizige Politikerin, deren eher simple Weltanschauung zwischen konservativ, reaktionär und rassistisch mäandert.
So entfachte ein Foto des damaligen Us-präsidenten Barack Obama mit einer Banane auf ihrem Twitter-profil einen globalen Shitstorm, Rodnina erklärte diese üble Beleidigung mit angeblichen Hackern, die ihren Account manipuliert hätten. Als Abgeordnete stimmte sie in der Duma für ein Gesetz, dass USBürgern bis heute verbietet, russische Kinder zu adoptieren. Keine Freunde gemacht hat sich die zehnmalige Weltmeisterin auch bei der politischen Führung in Berlin. Als stellvertretende Vorsitzende des russischen Auswärtigen Ausschusses empfing Rodnina eine Delegation der AFD in Moskau und zögerte auch nicht, eine Einladung zu einem Gegenbesuch in der deutschen Hauptstadt anzunehmen.
Daran konnte und kann die hochdekorierte Sportlerin nichts Schlechtes finden, die Kontakte werden weiter gepflegt, wenn nicht sogar intensiviert.
Das politische Parkett ist für Irina Rodnina scheinbar glatter, als es das Eis unter ihren Kufen jemals war. (sid)