Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Klappt die Ellenbogen ein
Es kommt selten vor, dass eine Studie die eigene Lebenswelt so zielgenau trifft, dass man zusammenzuckt. Bei dieser Studie ist es so: In der neuen Umfrage zum Lebensgefühl der „Generation Mitte“beklagen die Bundesbürger zwischen 30 und 59 Jahren wachsenden Egoismus, Respektlosigkeit und Aggressivität. Kurz: Die Ellenbogen sind ausgeklappt.
Das ist bitter. Doch dieser Trend fällt nicht vom Himmel. Wir sind es, die darunter leiden, aber wir sind es auch, die unsere Ellenbogen ausklappen. Woran liegt das?
Es gibt viele Antworten. Die eine lautet: Im Alltag stehen die meisten Frauen und Männer in der Generation zwischen 30 und 59 unter höherem Druck als die Generationen davor. Weil sie mehr wollen – und mehr sollen als früher: Wir sollen Beruf und Familie nicht nur irgendwie stemmen. Wir sollen bitte schön als partnerschaftliches Elternduo, als gelassene Erzieher und engagierte Arbeitnehmer alles aus uns herausholen. Wir wollen oder sollen dabei nicht nur bis ins hohe Alter gut aussehen, körperlich fit sein und täglich zu Hause gesunde Mahlzeiten kochen, sondern auch noch ehrenamtlich aktiv sein, die Umwelt schützen und uns um Menschen kümmern, die das nicht allein schaffen.
Dieser Druck muss irgendwo hin. Mal kriegen es die Kinder ab, mal der Partner. Doch vieles landet eben auch draußen: im Straßenverkehr, in der U-bahn, in der Schlange beim Bäcker. Je mehr von uns sich so gehen lassen, desto roher werden die Sitten
och was hilft? Es wäre schon mal ein Anfang, statt über die wachsende Verrohung zu klagen, Verantwortung dafür zu übernehmen. Und umzusteuern. Denn: Leben wir unseren Kindern weiterhin Dauerdruck als Normalfall des Lebens vor, drehen die als Erwachsene endgültig am Rad.