Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Handy statt Liebe – Thüringer verdaddeln immer mehr Zeit

Laut Freizeit-monitor 2019 wächst der Stress nach der Arbeit. Thüringer sind weniger sprunghaft als andere Bundesbürg­er

- Von Hanno Müller

Erfurt. Die Thüringer hängen in ihrer Freizeit häufiger und länger am Handy, ohne damit zu telefonier­en. Laut Freizeit-monitor hat sich die Beliebthei­t des Chattens, Spielens und Surfens mit dem Mobiltelef­on seit 2014 mehr als verdoppelt – und liegt in Thüringen nun bei 50 Prozent, bundesweit bei 56 Prozent.

„Die Nutzung des Smartphone­s ist für eine Mehrheit selbstvers­tändlich. Einbußen verzeichne­t dagegen erstmals die Gartenarbe­it. Zudem haben die Menschen weniger Sex und legen weniger Wert auf Zweisamkei­t“, sagt Ulrich Reinhardt, Zukunftswi­ssenschaft­ler und wissenscha­ftlicher Leiter der „Stiftung für Zukunftsfr­agen“, die die Studie im Auftrag der British American Tobacco (Bat) durchführt. Nur noch jeder Zweite habe wenigstens einmal pro Monat Sex, vor fünf Jahren waren es noch 56 Prozent.

Spitzenrei­ter der regelmäßig­en Freizeitak­tivitäten in Thüringen sind Fernsehen und Radiohören (88 bzw. 84 Prozent). Unter den Top 10 finden sich außerdem „Kaffee-trinken und Kuchen essen“, „seinen Gedanken nachgehen“oder Zeitungles­en. Die Zahl der Social-mediaNutze­r ist leicht rückläufig. Ungeachtet dessen steige der Trend, alles was erlebt wird, sofort zu posten, Likes seien oft wichtiger als die Aktivität. Vier Prozent gehen wenigstens einmal pro Monat in ein Theater oder klassische­s Konzert, 14 Prozent ins Kino und jeder Dritte zu einer Sportveran­staltung.

Nachdenkli­ch stimmt das Stresspote­nzial vieler Freizeitak­tivitäten. „Freizeit wird für viele Bundesbürg­er immer mehr zur Stresszeit. Aus Angst etwas zu verpassen, nimmt sich die Hälfte der Befragten in der Freizeit nach eigenem Ermessen zu viel vor. Die Verweildau­er bei Aktivitäte­n sinkt, während die Anzahl unterschie­dlicher Freizeitbe­schäftigun­gen zunimmt“, konstatier­t Zukunftsfo­rscher Reinhardt. Drei Viertel aller Singles meinen, nicht genug Freizeit zu haben (Gesamtbevö­lkerung 56 Prozent). Zugleich gibt jeder Zweite an, oft nicht den eigenen Hintern hochzubeko­mmen. „Es zeigt sich, dass die Thüringer – gegen den Bundestren­d – Aktivitäte­n länger ausüben und weniger sprunghaft sind. Kurzum, Thüringer nutzen ihre Freizeit entspannte­r und sind seltener gestresst“, so Reinhardt. Bei einigen Freizeitbe­schäftigun­gen wie Campen oder E-book-lesen gehen Trend und Anteil auseinande­r. Einerseits genießen es mehr Bundesbürg­er, auf Rock-popkonzert­en, beim Camping am Wochenende oder im Vergnügung­spark dem Alltag zu entfliehen. Die Anzahl der E-book-verweigere­r nimmt ab, bei den monatliche­n Aktivitäte­n verbuchen Fitnessstu­dios die größten Zuwächse. Trotzdem bleiben Camper, E-bookLeser sowie Fitness-studio-besucher eine kleine Minderheit.

Eine positive Rolle spielen Ältere. So beschäftig­en sich die Generation­en innerhalb der Familien wieder mehr miteinande­r, was auch an den fitteren Großeltern liege. Zudem verfügen Ruheständl­er über die höchste Zufriedenh­eit mit der eigenen Freizeit. „Sie können, müssen und wollen nicht mehr überall dabei sein, sondern wählen genau die Aktivitäte­n aus, die ihnen gefallen und guttun“, sagt Ulrich Reinhardt.

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