Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Psychologen auf Islamistenjagd – Wissenschaftler helfen Ermittlern bei Risiko-einschätzung von Extremisten
Mit „Riskant“entwickelt die Polizei gerade ein weiteres Werkzeug. Eigentlich sollte das Projekt Ende des Jahres fertig sein, doch der Start verzögert sich wohl. Das Tool „Riskant“fängt da an, wo Radar ITE aufhört. Es soll nach einer Risiko-bewertung eines Islamisten die Maßnahmen gewichten, die Polizisten und andere Behörden dann ergreifen können. Eine Art „Extremisten-management“– von der Fußfessel bis zur ersten Ansprache eines Islamisten durch Polizisten.
Häufig müssen die Ermittler mit wenigen Informationen über einen Gewalttäter auskommen, etwa weil er erst seit einigen Monaten in Deutschland lebt. Über die Vergangenheit und das Elternhaus eines jungen Syrers wissen die Behörden oft kaum etwas. Radar ITE hilft dann nicht viel. Für den Einsatz müsse „ein Mindestmaß solcher Informationen“vorliegen, heißt es in einem Papier des Bundeskriminalamtes. Am Ende, so sagt Daniel Heinke, Leiter des Bremer Landeskriminalamtes, messe Radar ITE nicht „automatisiert“Radikalität oder Gefährlichkeit eines Menschen. Experten der Polizei müssten weiterhin selbst die Fälle beurteilen. Heinke sagt, die Ermittler würden dabei sehr von außenstehenden Fachleuten profitieren – Psychologen, Islamwissenschaftlerinnen, Soziologen.
Eine dieser Expertinnen ist Kerstin Sischka. Die DiplomPsychologin arbeitet bei der Fachstelle Extremismus und Psychologie in Berlin. Sie meint, dass die Polizeiarbeit im Umgang mit möglichen Gewalttätern durch Radar ITE professioneller geworden sei. Doch auch Sischka sagt: „Wir sollten noch viel mehr den Schwerpunkt auf die Prävention extremistischer Gewalt legen.“Auf die Förderung von Aussteigerprogrammen aus radikalen Szenen und Maßnahmen, um Menschen aus einer extremen Ideologie mithilfe etwa von Therapie herauszuholen. Gerade früh zu erkennen, ob sich ein Mensch radikalisiert, sei wichtig. „Wenn ein junger Mensch gerade erst in extremistische Lebenswelten hineinschnuppert“, sagt Sischka.
Gefordert sei hier nicht nur die Polizei, sondern vor allem Jugendämter und Familienhilfen. Für Sischka reicht es nicht aus, wenn der Staat nur Gewaltrisiken eines Menschen bewertet. Er müsse auch Perspektiven abseits der extremistischen Szene anbieten. Ein Leben abseits vom Hass. Und Sischka hebt hervor: Die Psyche der Radikalen müsse stärker in den Blick der Behörden genommen werden.